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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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im Leben etwas riskieren? Auch wenn es nur im Traum war.
    Warmes Wasser flutete meine Turnschuhe, als ich den Tunnel betrat. Die Decke war gerade hoch genug, um in einer Art Entengang vorwärts zu kommen. Sofort protestierten meine Kniegelenke gegen diese ungewohnte Belastung. Ich streckte die Beine durch und beugte mich vornüber. Meine Knie beruhigten sich, dafür kratzte jetzt mein Rücken an den groben Ziegelsteinen der Tunneldecke entlang. Zu allem Überfluss rutschte ständig mein T-Shirt aus der Hose. Ich blieb stehen und sah zurück zum Eingang. Das Loch war inzwischen auf die Größe eines Flaschenbodens zusammengeschrumpft. Die Wiese und der Wald waren kaum noch zu erkennen. Ich wandte mich wieder nach vorne und glotzte in die Schwärze vor mir.
    „Dodo, worauf wartest du?“, fragte Strom-Tom. „Wir sind fast da!“
    Ich tastete mich mit der linken Hand an der Tunnelwand entlang, die rechte streckte ich in die Dunkelheit. Nach knapp zwanzig weiteren Schritten stießen meine Fingerspitzen gegen etwas Festes.
    „Hier … hier geht‘s nicht mehr weiter.“ Meine Finger rutschten nach links, rutschten nach rechts. Rauer Stein auf beiden Seiten. „Strom-Tom, hier ist eine Mauer!“
    „Okaykay, Dodo. Das ist die Grenze.“
    „Das ist eine massive Mauer“, korrigierte ich.
    „Keine Sorge, wir haben den Schlüssel. Du musst einfach deine Hand auf die Wand legen.“
    „Okay …“ Ich legte meine Hand auf die Wand. „Und dann?“

Die andere Seite

    Ein Blitz durchzuckte meinen Körper, meine Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen und mir wurde schwarz vor Augen.
    „Sind wir da?“, fragte Strom-Tom. Er klang ängstlich.
    „Sag mir doch vorher Bescheid, wenn du mich unter Strom setzt! Verflixt und zugenäht!“ Ich fühlte mich, als hätten meine Hirnhälften die Seiten getauscht.
    „Kannst du was sehen?“
    Ich öffnete die Augen. Die Finsternis blieb. „Nein … ich sehe gar nichts“, stellte ich erschrocken fest. „Strom-Tom, ich bin blind!“
    „Beruhige dich, Dodo! Das liegt bestimmt am Grenzübergang. Das geht gleich vorbei.“
    Strom-Tom hatte recht. Nach und nach schälten sich Formen und Farben aus der Dunkelheit. Der Tunnel war verschwunden.
    „Wir stehen in einem Raum“, sagte ich. Er war groß und leer und leuchtete.
    „Wir stehen in einem Raum?“, echote Strom-Tom aufgeregt.
    Ich sah zur Decke hinauf. „Er ist lila.“
    „Lila?“
    „Ja …“ Mein Blick wanderte über die Wände. „Oder eher blau.“
    „Was denn nun?“, fragte Strom-Tom mit einem Anflug von Panik. „Lila oder blau?“
    „Rosa“, sagte ich zu meiner eigenen Verwunderung. „Der Raum ändert seine Farbe. Jetzt ist er gelb. Das sieht … das sieht unglaublich schön aus.“ Staunend drehte ich mich im Kreis, während das Gelb in ein strahlendes Rostbraun überging. „Wirkt irgendwie beruhigend …“
    „Pass lieber auf, Dodo! Das ist bestimmt ein fieser Trick.“
    „Was denn für ein Trick?“, fragte ich und drehte mich weiter im Kreis.
    „Damit wir uns in Sicherheit wiegen.“
    „Ach, Quatsch …“ Meine Stimme schien plötzlich von weither zu kommen. „So was Schönes habe ich noch nie gesehen …“
    „Ja eben! Das ist ja der Trick! Genauso wie es fleischfressende Pflanzen machen: Die Fliege sieht eine wunderschöne bunte Blüte und dann – schwupp! Wird sie gefressen!“
    Strom-Toms Exkurs in die Welt der Botanik ließ mich weitestgehend unberührt. „Du musst aber auch immer gleich an etwas Schlechtes denken …“
    „So ist das Leben!“, rief Strom-Tom. „Du musst auf alles gefasst sein. Ist da irgendwo eine Tür oder so was?“
    Ich sah keine Tür. Die wunderschönen Farben waren das Einzige, wofür ich Augen hatte.
    „Dodo? Dodo, wach auf, verdammt noch mal! Wir müssen hier raus! Und zwar schnell!“
    Strom-Toms aufgeregtes Zetern störte meine staunende Begeisterung. Widerwillig stoppte ich meine kreiselnden Bewegungen und sah mich um. Zu meiner Enttäuschung fand ich die Tür auf Anhieb. „Ja, da vorne ist eine.“
    „Dann los! Lass uns den Löffel holen und hier verschwinden!“
    Die Tür war näher, als ich dachte. Ich drückte die Klinke hinunter, trat einen Schritt aus dem bunten Raum heraus und fiel vornüber. Die Welt um mich herum wurde schwarz. Ich schrie. Wieder fühlte es sich an, als würde mein Kopf auf links gezogen.
    Das Erste, was ich danach hörte, war Vogelgezwitscher. Lautes, buntes, von allen Seiten kommendes Vogelgezwitscher. Und weit entfernt ein lang

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