Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
Vom Netzwerk:
führte, dass sich das Leder über ihren Wangenknochen gefährlich spannte.
    „Gerne doch“, sagte sie schließlich, nahm eine Waffel aus dem Turm zu ihrer Linken und wandte sich der Auslage an Eissorten zu. „Mit Sahne?“
    „Nein, danke, keine Sahne“, antwortete Strom-Tom. „Aber dafür deine geschätzte Aufmerksamkeit. Kannst du mich gut verstehen?“
    Die Eisfriedel sah verwundert auf. „Ja, wieso?“
    „Gut“, sagte Strom-Tom. Dann ratterte er los: „Drei-Null-Sechs-Sechs-Sechs-Fünf-Sieben-A-Strich-Eisfriedel-Zweitausend-elf-Enter-Frank.“
    Auch wenn es anatomisch beinahe unmöglich erschien, erschlaffte das Gesicht der Eisverkäuferin. „Danke“, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme, „einen Moment, bitte.“ Ihr Mund blieb offen.
    „Oh, Mann!“, schallte es aus dem Inneren der Eisfriedel. „Servus, Strom-Tom! Lange keinen Kontakt!“
    „Servus Strom-Frank!“, grüßte Strom-Tom zurück. „Wie fließt es?
    „Die Alte macht mich fertig“, sagte Strom-Frank. „Den ganzen Tag nur Eis verkaufen! Eis, Eis, Eis … bald brauch ich hier drin ‚nen Pulli! Sag bloß, du hast schon wieder einen Neuen?“
    „Ja, der heißt Dodo.“
    Ich schloss meinen Mund. „Was ist hier denn bitte los?“
    „Halt mal die Klappe offen, Dodo!“, blaffte Strom-Tom. „Sonst gibt‘s gleich ‚nen Schlag!“
    Aus dem Bauch der Eisfriedel drang ein Lachen. „Der alte Strom-Tom! Immer ein Witzchen auf Lager! Also, was kann ich für dich tun?“
    „Ich brauche den S7.“
    „Du willst zur Grenze?“ Strom-Franks Entsetzen über unser Vorhaben war deutlich herauszuhören.
    „Nee, schlimmer. … Ich muss sogar über die Grenze. Ist ‚n Spezialauftrag.“
    „Ach, du arme Sau! Na dann … Ich denk an dich. Volt auf!“, verabschiedete sich Strom-Frank.
    „Danke, Mann. Volt auf!“, verabschiedete sich Strom-Tom.
    Der Mund der Eisfriedel schloss sich. Einen Moment lang sah sie sich verwirrt um, als wäre sie gerade aufgewacht. Dann erblickte sie die Eiswaffel in ihrer Hand und augenblicklich setzte die jahrzehntelange Routine ein. „Sahne dazu?“
    Nachdem die Eisfriedel mir die zwei Kugeln in der Waffel über den Tresen gereicht hatte, verabschiedeten wir uns und gingen über den Kiesweg zum Teich hinunter. In der Nähe des Ufers schwamm eine Enten-Familie inmitten des stinkenden Algenteppichs im Kreis. Ich dachte nach. „Über welche Grenze müssen wir denn?“
    „Genieß erst mal dein Eis“, sagte Strom-Tom. „Ich hab Hunger!“
    Ich stieß den Plastiklöffel in die Erdbeerkugel und schaufelte ein großes Stück in meinen ausgedörrten Mund. Es war wunderbar kühl. „Schmeckt gut …“
    „Schmeckt gut“, bestätigte Strom-Tom.
    Ich löffelte weiter. Das Zitronen-Eis war sogar noch erfrischender.
    „Und?“, fragte Strom-Tom. „Ist er da?“
    „Wer?“
    „Na, der S7.“
    „Wer?“, fragte ich noch einmal und stutzte. „Was … was ist das denn?“ Mein Löffel war auf etwas Hartes gestoßen. „Da ist eine Münze in meinem Eis!“
    „Das ist der S7.“
    Vorsichtig zog ich die silbern glänzende Münze aus dem Zitronen-Eis. Sie hatte verblüffende Ähnlichkeit mit einer Wasch-Marke. „Was ist das?“
    „Der S7“, wiederholte Strom-Tom. „Ein Schlüssel.“
    „Aber das ist doch eine Münze“, gab ich zu bedenken.
    „Die wird Schlüssel genannt, weil sie Türen öffnet“, erklärte Strom-Tom genervt. „Verstehst du? Und jetzt schluck sie runter!“
    Ich drehte die Münze zwischen den Fingern. Sie hatte in etwa den Durchmesser eines Ein-Euro-Stücks. „Die ist zu groß! Die kriege ich doch niemals runter.“
    Ein Stromschlag jagte durch meinen Körper. Meine linke Hand schloss sich krampfend um die Münze, in der anderen zerbrach die Eiswaffel.
    „Hey! Mach das nie wieder!“, rief ich erbost. Einige Spaziergänger drehten sich zu mir um. Erdbeer-Zitronen-Eis schwappte zwischen meinen Fingern hervor.
    „Du kennst die Regeln“, sagte Strom-Tom.
    „Weißt du überhaupt, wie schmutzig Geldmünzen sind?“ Omi hatte mich ausreichend über die hygienischen Umstände von Zahlungsmitteln aufgeklärt. „Wer weiß, wer die schon alles in der Hand hatte!“
    „Das ist ein Schlüssel! Keine Münze!“, versuchte Strom-Tom, mein Argument zu entkräften.
    „Trotzdem. … Außerdem bist du schon in meinem Magen! Das kann doch alles nicht gesund sein.“
    „Schluck … den … Schlüssel … runter! Jetzt!“ Strom-Tom betonte jedes Wort einzeln.
    Ich gab es auf, steckte die Münze in meinen Mund,

Weitere Kostenlose Bücher