Von Liebe stand nichts im Vertrag
spielte. Aber er musste sie davon abbringen. „Wir haben eine Abmachung.“ Dabei wusste er genau, dass seine Argumentation wenig überzeugend klang.
„Entschuldige. Ich habe wohl die Spielregeln verletzt.“
Nicht nur die Spielregeln, dachte Dev aufgebracht. Es konnte gar nicht sein, dass sie ihn liebte. Die Menschen liebten ihn nicht. Sie begehrten ihn, wie seine Freundinnen, hassten ihn, wie Jimmy, oder verließen ihn, wie seine Eltern. Lieben? Niemals.
Als er aus der Küche lief, holte Noelle ihn auf dem Flur ein. „Du kannst nicht leugnen, was zwischen uns ist.“ Sie berührte seinen Arm. „Du kannst meine Worte auch nicht aus der Welt schaffen.“
„Ich kann es versuchen.“
„Bedeuten sie dir gar nichts?“
Gegen seinen Willen blickte Dev Noelle in die Augen. Schmerz und Hoffnung spiegelten sich darin. Da wurde ihm klar, dass er einen grundlegenden Fehler gemacht hatte. Noelle war so aufrichtig. Sie vertraute ihm bedingungslos und ahnte nicht, welche Regeln er bei Beziehungen beherzigte: Niemals Gefühle einsetzen, sodass man auch nicht verletzt werden kann. Seine früheren Freundinnen hatten mitgespielt. Deshalb hatte er auch immer nur oberflächliche Beziehungen gehabt. Es ging nie tiefer, dafür gab es nie Enttäuschungen und Liebeskummer. Aber Noelle wollte mehr. Das machte sie verletzlich – und Dev auch, wenn er sich darauf einließ.
„Deinen Worten entnehme ich, dass du mich nicht wirklich kennst.“
„Ich kenne dich sehr wohl“, gab sie aufgebracht zurück. „Du bist liebenswert, klug, fürsorglich und zärtlich. Du hast alles, was ich mir von meinem Traummann wünsche.“
Noelles Worte trafen Dev bis ins Mark. „Du verstehst mich nicht. Ich bin nicht dieser Mann, den du da beschreibst. Alles Wichtige in meinem Leben habe ich zerstört. Alles. Meinetwegen verließ uns unser Vater. Das hat er mir selbst gesagt. Er wollte gehen, damit ich nicht so würde wie er. Ich hatte keine Ahnung, was er meinte, deshalb wusste ich auch nicht, was ich ändern sollte. Und Jimmy …“ Dev schloss die Augen, was alles noch schlimmer machte. Er sah wieder seinen Bruder vor sich und erinnerte sich an jedes Wort ihrer letzten bösen Auseinandersetzung.
„Jimmy war der wichtigste Mensch für mich. Ich wollte ihm ein guter Bruder sein, ein vollkommener Ersatzvater – in jeder Hinsicht der Beste für ihn. Aber es funktionierte nicht. Ich konnte ihn weder für die Schule und das College noch für einen Job motivieren. Er hielt sich lieber in schlechter Gesellschaft auf und hing auf Partys herum. Hat er dir eigentlich erzählt, dass er das Gymnasium in Brand stecken wollte?“
Noelle starrte Dev ungläubig an.
„Nur mit Mühe konnte ich ihn dazu bringen, seinen Hauptschulabschluss zu machen. Danach sagte er, er sei jetzt fertig mit mir. Nein, er zog natürlich nicht aus, denn dann hätte er seine Rechnungen selbst bezahlen müssen.“ Dev atmete tief durch. „Weißt du, wieso du ihm zufällig in unserer Firma begegnet bist?“
Noelle schüttelte den Kopf. „Ich dachte, er würde dort arbeiten.“
„Arbeiten!“ Dev versuchte zu lachen, aber die Situation war gar nicht komisch. „Er hat Maschinenteile unserer Firma beiseitegeschafft und verkauft. Ich erwischte ihn, und es tat ihm nicht einmal leid.“
Noelle brachte kein Wort hervor.
Dev fuhr fort. „Da hatte ich genug. Wirklich, in diesem Moment hasste ich meinen Bruder. Ich stellte ihn vor die Wahl: Er könne entweder zur Army gehen und erwachsen werden. Oder ich würde mich an die Polizei wenden und ihn anzeigen. Army oder Gefängnis …“
Jimmy und er hatten sich wüst beschimpft und beinahe geprügelt. „Er entschied sich für die Army und meldete sich für einen Einsatz im Irak. Ich war froh, weil ich dachte, dass er dort lernen würde, Verantwortung zu übernehmen. Dass er nicht länger den verwöhnten Sohn aus vermögender Familie spielen würde. Aber leider ist er dann ziemlich schnell gefallen.“
Dev sah Noelle in die Augen. „Das habe ich angerichtet. Ich habe mich vor meiner Verantwortung gedrückt. Deshalb musste Jimmy sterben. Es lässt sich nicht mehr ändern, sosehr ich es mir auch wünsche. Ich muss mit den Konsequenzen meines Handelns leben. Ich habe meinen Bruder auf dem Gewissen. Überleg es dir also bitte zweimal, bevor du behauptest, mich zu lieben.“
11. KAPITEL
Noelle hörte, wie die Tür zuschlug und der Motor von Devs Wagen ansprang.
Er fuhr weg. Das schockte sie beinahe ebenso wie die Schilderung seiner
Weitere Kostenlose Bücher