Von Liebe stand nichts im Vertrag
zu. Er war in Gedanken schon bei der Erziehung des älteren Kindes.
„In den ersten Monaten lernen Sie und Ihr Kind sich kennen. Sie lernen die verschiedenen Nuancen des Schreiens zu unterscheiden, und wie man darauf reagieren sollte. Ihr Baby merkt sich bald Ihre Berührungen, Ihren Geruch und Ihre Stimme. In dieser Zeit entwickelt sich Ihre Beziehung. Und das gilt für Mütter und Väter gleichermaßen.“
Die Kursleiterin fuhr fort, über die Bedeutung der elterlichen Bindung zu sprechen, aber Dev hörte auch weiterhin nicht zu. Er hatte keine tiefere Bindung zu Jimmy gehabt, hatte die Vaterrolle nicht so ausfüllen können, wie es erforderlich gewesen wäre. Aber woher denn auch? Schließlich war er nur der ältere Bruder gewesen. War dies der Grund für ihre Missverständnisse? Er hatte sich bemüht, seinen Pflichten und Verantwortungen nachzukommen und immer das Richtige zu tun.
Seinen eigenen Kummer hatte er verdrängt, weil er vor allem für seinen Bruder Jimmy da sein und ihn auf den richtigen Weg bringen wollte.
Und was war dabei herausgekommen? Ein einziges Desaster.
„Es sollte mehr Regeln geben“, sagte Dev später zu Noelle, als sie im Auto nach Hause fuhren.
„Etwas wie eine Liste zum Abhaken?“, fragte Noelle.
„Genau. Zum Beispiel: Heute ist der dreißigste Tag im Leben deines Kindes. Hier steht, was du zu tun hast.“
Noelle lachte. „Dev, so geht das nicht. Jedes Kind ist anders.“
„Ich finde, dass Regeln helfen. Vielleicht sollte man es anders ausdrücken. Zum Beispiel Ratschläge zur Kindererziehung.“
„Ob uns das weiterhilft, ist fraglich. Aber vergiss nicht, vor uns liegt eine lange Zeit, in der wir uns höchstens über das Füttern in der Nacht und das Windelwechseln Gedanken machen müssen.“ Sie berührte ihren Bauch. „Man sieht noch kaum etwas.“
Sie nimmt meine Sorgen nicht ernst, dachte Dev. Andererseits hatte sie aber auch nicht seine schlechten Erfahrungen gemacht …
„Ich möchte besser informiert sein, Noelle. Sobald wir nach Hause kommen, gehe ich online und sehe mal, was ich finde.“
„Aber es ist spät. Ich bin müde.“
„Geh ruhig ins Bett. Ich komme bald nach.“
Ihr Schweigen zeigte ihm, dass sie über seine Entscheidung nicht glücklich war.
Die ganze Woche hatte Noelle sich auf das Sonntagspicknick bei ihren Eltern gefreut. Sie hatte zwei Salate zubereitet, und die Sonne schien warm.
In den letzten Wochen hatte sich unglaublich viel verändert. Gern hätte Noelle ihrer Mutter alles erzählt, aber das war unmöglich. Vorher müsste sie den wahren Grund für ihre Hochzeit beichten, und dazu war sie noch nicht bereit.
„Hey!“, rief sie, als sie mit Dev durch das leere Haus in den Garten lief. „Wir sind da.“
Im Garten waren ihre Eltern, Nachbarn und Geschwister mit ihren Freunden und Freundinnen versammelt. Nur Tiffany hatte sich abgesondert und saß in einem Liegestuhl am Pool.
„Wie geht es dir?“ Jane hakte sich bei Noelle unter und begleitete sie in die Küche zurück. „Ich muss mich erst noch daran gewöhnen, dass du nicht mehr bei uns wohnst.“
„Ich weiß.“ Noelle stellte die Salatschüsseln auf den Küchentresen. „Mir geht es genauso.“
„Wenn du nicht so glücklich wärst, würde ich dir das glauben. Wirklich Noelle, ich habe dich nie zuvor so … zufrieden gesehen.“
„Ich bin glücklich. Ich liebe mein Leben.“
„Das macht mich auch glücklich, Liebes. Ich war ehrlich gesagt schon nervös, als du einfach weggelaufen und verheiratet zurückgekommen bist. Das passte so gar nicht zu dir.“
„Es tut mir leid, Mom. Ich wollte dir und Dad nicht wehtun.“
„Wir waren nur überrascht. Aber es ging ja alles bestens, und mehr können wir uns nicht wünschen, oder?“
In diesem Moment kam Tiffany in die Küche und beklagte sich. „Ich finde es langweilig“, sagte sie. „Es ist doch blöd, wenn wir jeden Sonntag einen Wochenbericht abgeben müssen. Warum haben wir in unserer Familie so feste Regeln?“
Früher hatte Noelle mit ihren Geschwistern gegen die Traditionen ihrer Eltern rebelliert. Heute sah sie manches anders. „Die Regeln sind wichtig“, stand sie ihrer Mutter bei. „Sie schaffen einen Rahmen und setzen notwendige Grenzen. Vertrau mir, es ist besser, mit Regeln zu leben als ohne.“
Tiffany verdrehte die Augen. „Was weißt du denn schon? Du hast geheiratet und brauchst nicht mehr nach Regeln zu leben. Du kannst tun und lassen, was du willst. Das will ich auch. Sie sollen endlich
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