Von Liebe und Gift
einen Schluck, das wird dir gut tun.“
Neal antwortete nicht, doch er verstand, was man von ihm wollte. Vorsichtig nippte er an dem heißen Getränk und schloss dabei die Augen. Dann hob er auch die Hand, um den Becher zu umfassen. Anschließend nahm er größere Schlucke, als würde sein Körper das Koffein sehnlich verlangen.
Erschöpft sank er danach in die Kissen zurück. Sein Körper zuckte vor Anstrengung. Er zeigte wieder Reaktionen, trotzdem war er unfähig etwas zu sagen oder seine Umwelt bewusst wahrzunehmen.
„Wir sollten ihn jetzt in Ruhe lassen“, sagte Gero leise. Er erhob sich und deutete zur Tür. Aber Francis schüttelte nur den Kopf.
„Wir können ihn doch nicht alleine lassen? Was ist, wenn er wieder aufhört zu atmen?“
Gero antwortete zuerst nicht. Er nahm Francis bei der Hand und zog sie aus dem Zimmer. Erst vor der Tür, sprach er Klartext.
„Dieses Heroin, dieses Scheißzeug. Er hat es wieder genommen.“ Sein Blick senkte sich. „Er hat die ganze Zeit geatmet, nur sehr flach und unregelmäßig. Das kommt von dem Heroin, das macht atemdepressiv.“
Francis verstand, dennoch schluckte sie verkrampft. „Aber das ist doch gefährlich. Er hätte sterben können.“ Ihre Augen waren starr und mit Angst erfüllt.
„Er könnte mit jedem Schuss sterben“, sagte Gero daraufhin. „Die Gefahr ist immer da. Wir können nichts tun.“ Er seufzte. Sie gingen hinunter ins Wohnzimmer, wo sie sich ebenfalls einen Kaffee gönnten. Erleichtert registrierte Francis, dass ihr Sohn und Ralph noch immer im Pool waren, und von all dem nichts mitbekommen hatten.
„Du hast ihm vielleicht das Leben gerettet“, sagte Francis. Sie fuhr sich über die wässrigen Augen, dann nahm sie Geros Hand und drückte sie fest. „Wo kommt dieser Koffer her? Ich wusste nicht, dass Neal so etwas unter dem Bett versteckt.“
Gero schüttelte den Kopf. Langsam kam die Farbe auch wieder in sein Gesicht. „Neal weiß davon gar nichts“, gestand er. „Ich habe den Koffer dorthin gelegt - für den Notfall. Irgendwie habe ich geahnt, dass es mal so kommen würde.“ Er nahm einen Schluck Kaffee, dann verzog er unzufrieden sein Gesicht. „Wir können nur hoffen, dass Neal endlich diese dämliche Therapie macht und sich nicht irgendwann zuviel von dem Zeug spritzt.“
An einem der nächsten Tage ging Francis mit ihrem Sohn und ihrem Hund durch den Park.
„Wann krieg ich denn endlich ein Geschwisterchen, Mami?“, fragte der kleine Junge ganz neugierig.
„Ich denke im Januar“, erwiderte Francis. „Wenn alles gut geht“, fügte sie leise hinzu.
Schließlich entdeckten sie Gero, der auf dem Rasen im Park saß und sich sonnte. Um ihn herum tollten Neals Hunde.
„Hallo, ihr zwei!“, grüßte er vergnügt, als er Francis und Nicholas sah. „Ist es nicht schön hier? Hier kann man mal so richtig abschalten.“
Francis nickte. Sie setzte sich ebenfalls auf den Rasen, während Nicholas Gänseblümchen pflückte.
„Du bist mit Neals Hunden hier?“, fragte sie erstaunt.
„Ja“, antwortete Gero. Es klang ein wenig betrübt. „Neal geht ja kaum noch mit ihnen raus. Sie können nicht ständig nur im Garten rumlaufen.“
Er sah traurig zu Boden. „Unglaublich, wie sich ein Mensch so verändern kann, nicht wahr? Früher waren Neal die Hunde so wichtig.“
Auch Francis’ gute Laune verschwand wieder, als sie an all die Probleme dachte, die sie derzeit belasteten.
„Ich bin ehrlich gesagt ratlos“, gestand sie offenherzig. „So ratlos, wie noch nie.“
Nicholas kam auf sie zu und entlockte ihr ein Lächeln. „Die hab ich für dich gepflückt“, sagte der Junge, während er Francis ein paar Gänseblümchen reichte, „und Gero bekommt auch noch welche.“ Er drehte sich wieder um und pflückte weiter.
„Wenn Nicholas und das Baby nicht wären“, sprach Francis daraufhin, „ wäre ich schon längst am Ende.“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist einfach zu viel zurzeit. Man hat keine ruhige Minute mehr ohne Sorgen, ohne Angst.“
„Stimmt“, füge Gero hinzu. „Mir geht es genauso. Ich kann schon nicht mehr klar denken, ohne Sorge um Neal.“ Er machte eine kurze Pause, in der er nachdachte, ob er wirklich weitersprechen sollte. Dann nahm er allen Mut zusammen und gestand: „Du bist die erste, der ich es sage. Ich werde wohl ein Semester wiederholen müssen.“
Als er das erzählte, wurde Francis’ Gesichtsausdruck ganz betroffen.
„Was? Aber du warst so gut …“
Gero
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