Von Liebe und Gift
sich erneut was drücken. Er ist nicht stark genug aufzuhören.“ Sein Blick schweifte durch den Raum. „Noch nicht…“
Dieser Vorfall war für alle Beteiligten ein erneuter Rückfall. Allmählich wusste keiner von ihnen mehr, wie man helfen konnte. Besonders Gero traf es sehr, denn er konnte sich einfach nicht erklären, warum sein Freund erneut den Kontakt zu seinem Ex gesucht hatte.
„Wieso warst du bei Dirk?“, fragte er demzufolge direkt, als er am nächsten Tag Besuch von Neal bekam. „Läuft da was zwischen euch?“
Neal grinste abwertend. Er wirkte antriebsschwach und unheimlich müde. „Du machst dich lächerlich.“
Gero zuckte mit den Schultern. Er machte sich noch immer Sorgen, obwohl Neal wieder da war. „Ich möchte nur wissen, warum du die Nacht bei einem anderen Kerl verbringst. Ist das zu viel verlangt? – Immerhin warst du mal mit Dirk zusammen.“
Als Neal das hörte, hielt er sich die Hand vor die Augen. Ging das schon wieder los? Er seufzte tief. „Ja, ich war mal mit Dirk zusammen“, erwiderte er deutlich gereizt. „Und das ist schon Ewigkeiten her … Danach habe ich noch mit einigen anderen gevögelt. Es waren so viele, dass ich nicht mehr mitgezählt habe!“
Ein Schreck ging durch Geros Körper. Er wusste, dass Neal in der Vergangenheit kein Kind von Traurigkeit gewesen und viele Männerbekanntschaften gehabt hatte, doch das so direkt an den Kopf geworfen zu bekommen, verschlug ihm fast die Sprache.
„Warum sagst du so etwas?“, fragte er mit zitternder Stimme. „Warum tust du mir das an?“
Neal verdrehte die Augen. „Was tu ich dir an?“, fragte er genervt.
„Du erzählst mir von Typen, mit denen du im Bett warst!“ Gero sah zu Boden. Erschüttert nahm er auf dem Bett Platz. „Ich will davon nichts hören.“
Er fuhr sich über die Augen. Plötzlich stiegen Tränen in ihm hoch. Er fühlte sich unendlich verletzt.
„Ich will doch bloß wissen, warum du bei Dirk warst“, fuhr er fort. „Immerhin war er der Einzige, mit dem du dauerhaft zusammen warst.“
Nun drehte sich Neal um. Sein Gesichtsausdruck war noch immer zornig. Warum auch immer. Er konnte sich nicht beherrschen. Und das Gerede um seine erste Beziehung machte ihn noch wütender.
„Wie oft soll ich es sagen?“, schrie er demzufolge lauthals. „Das mit Dirk ist längst vorbei!“
Da hob Gero seinen Kopf. Er konnte nicht mehr klar denken. „Aber du könntest noch etwas für ihn empfinden, oder?“ In seinen Augen spiegelte sich die nackte Angst.
Neal winkte ab. Er hatte keine Lust mehr zu diskutieren. „Denk doch was du willst!“, fauchte er. Dann wandte er sich ab, um eine Zigarette zu entzünden.
„Und ich dachte, wir bleiben für immer zusammen …“, hörte er seinen Freund sagen.
„Das dachte ich auch!“, entgegnete Neal. Als er Gero ansah, entstand in ihm plötzlich ein beunruhigender Gedanke. „Aber dein ständiges Gejammer geht mir mächtig auf den Keks. Das glaubst du gar nicht!“
Er drehte sich um, verließ das Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Wütend rannte er die Treppen herunter. Im Hausflur der ersten Etage stieß er auf Frau Dresen, die gerade die Treppen putzte. Lächelnd sah sie Neal an.
„Guten Tag Herr Anderson!“
„Ach, tun Sie nicht so scheinheilig!“, konterte Neal noch immer gereizt. Dass er gerade jetzt der Putzfrau begegnen musste, passte so gar nicht in seinen Kram. Und Frau Dresen sah ihn auch sogleich bestürzt an. „Wie bitte?“
Neal blieb stehen. Er zog noch einmal an seiner Zigarette, dann warf er die Kippe in Frau Dresens Putzwasser.
Das kleine Holzhaus war versteckt hinter vielen Büschen und einer großen Hecke, so dass Neal unauffällig nähertreten konnte. Er klopfte kurz an die Tür und trat dann ein.
„Hallo Sam!“
Der richtete sich auf. Er ruhte auf der Liege und hatte ein paar Zeitschriften in den Händen. Neal hatte ihn die letzten Tage regelmäßig mit Essen und Lektüre versorgt.
„Hey, Neal!“ Sam freute sich sichtlich. „Schön, dass du mal wieder vorbeikommst. Hier passiert ja wirklich nichts.“ Er deutete zum kleinen Fenster hin. „Grillende Rentner, schreiende Kinder, knutschende Pärchen … sonst nichts.“
Neal machte ein nachdenkliches Gesicht. „Das hört sich ja echt nicht gut an. Aber ich glaube, lange musst du dich nicht mehr verstecken. Die Lage hat sich etwas entspannt. – Und mit deinen braun gefärbten Haaren erkennt dich sicher niemand mehr.“
„Meinst du?“ Sam
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