Von Liebe und Gift
runzelte die Stirn. Er stand auf und sah in einen kleinen Spiegel, der über dem Waschbecken hing. Neal kam näher und setzte sich auf einen Stuhl.
„Machst du mir einen Schuss fertig?“, fragte er gezielt. Bittend sah er Sam an. Der drehte sich und erwiderte den Blick prüfend.
„Bist du sicher?“
Neal nickte. „Ja, ich muss abschalten. Ich habe nur Ärger zurzeit, nur Ärger!“ Es klang verzweifelt.
Sam nickte verständnisvoll. „Klar mache ich dir was fertig, wenn du es brauchst.“ Er nahm das Ledertäschchen, welches er unter der Liege versteckt hatte, dann kramte er die Sachen hervor, die er benötigte, um Neal eine Spritze vorzubereiten.
„Was für einen Ärger hast du denn?“, fragte er derweilen. „Willst du drüber reden?“
„Mmh.“ Neal stöhnte. Er lehnte seinen Kopf nach hinten und schloss die Augen, als wolle er gar nicht darüber nachdenken, was ihn tatsächlich so belastete. „Ach, alles geht schief“, begann er mitzuteilen. „Ich bekomme nichts mehr auf die Reihe.“ Er zählte auf: „Ich vernachlässige die Band, meine Familie … Dann taucht auch noch mein Ex-Freund auf und verbreitet überall nur Unruhe. Er will mir helfen von den Drogen wegzukommen, doch ich kann diese Hilfe einfach nicht annehmen!“ Neal sah wieder auf und machte ein unschlüssiges Gesicht, als wüsste er selbst nicht, was in ihm derzeit vorging. „Und Gero? - Ich liebe ihn und verletze ihn dennoch.“ Unglücklich sah er Sam an. „Es ist beängstigend, aber manchmal nervt er mich. Dabei meint er es doch nur gut.“
Ich sollte froh sein, dass Gero so an mir hängt, dachte Neal still bei sich. Genau das wollte ich doch immer!
Sam gab daraufhin keinen Kommentar von sich. Fachmännisch hatte er das Heroin aufgezogen und hielt Neal die Spritze entgegen. „Hier, reicht das?“
„Ja, danke.“ Neal nahm die Spritze entgegen, starrte sie an. „Das schlimmste ist … Ich werde bald Vater. Ich habe Angst, dass ich es nicht mehr miterlebe, wenn es so weitergeht. – Ach, Scheiße!“ Er legte die Spritze ab, dann zog er seine Lederjacke aus, um kurz darauf den Ärmel seines hellen Hemdes hochzukrempeln. Er sah auf seinen Arm und verzog erneut das Gesicht. „Nun sag mir mal, wo ich da noch reinstechen soll?“
Er lehnte sich wieder in den Stuhl zurück, schloss die Augen und griff sich an die Stirn. „Ich krieg echt zuviel …“
Aber Sam war gleich zu Stelle. Er fasste Neal an die Schulter. „Bleib ruhig. Wir kriegen das hin.“
Er kniete sich nieder, um Neals Arm genau zu begutachten. Er strich über die wunde Haut, die zerstochen und rot war. An manchen Stellen sah er Blutergüsse und entzündete Male.
„Das sieht schlimm aus“, stellte Sam fest. „Wie konnte das passieren? Du drückst doch noch gar nicht so lange. - Ist der andere Arm auch in so einem Zustand?“
Neal bejahte dies – und es sah fast ein wenig beschämt aus.
„Ich hab keine Ahnung, warum meine Venen so schnell schlapp machen. Sie platzen mir ständig weg.“
„Tja“, äußerte sich Sam gewissenhaft, „dann müssen wir an deinen Fuß.“
Ohne eine Antwort abzuwarten griff er an Neals Schuh, zog den und den dunklen Socken darunter aus, dann legte er den Fuß bei sich auf das Bein.
„Wenn du ordentlich abschnürst, findest du hier die besten Venen.“ Er strich über den Fußrücken. Neal nickte nur still. Er reichte Sam einen Lederriemen zum Abbinden und dann die Spritze. „Wäre dir dankbar, wenn du das machen könntest.“
Sam zögerte nicht. Er zog noch einen anderen Stuhl heran, auf dem Neal sein Bein ablegte, dann band er den Riemen um Neals Wade.
„Weißt du“, fing Neal derweilen an zu philosophieren, „die Leute wissen gar nicht, wie es mit Heroin ist. Sie denken, es ist schlecht und dreckig, doch mit Heroin ist die Welt viel leichter zu ertragen. Du brauchst nichts mehr, gar nichts, wenn du Heroin hast.“
Sam nickte mit dem Kopf, sah jedoch nicht zufrieden aus. „Klar, doch dieses Gefühl hält nur bis zum nächsten Schuss, vergiss das nicht“, sagte er.
„Ja“, entgegnete Neal. Er drehte seinen Kopf zur Seite, schien sich zu entspannen, „man fällt in ein großes Loch, wenn der Rausch vorbei ist. Aber ebenso geil ist es, wenn du beim nächsten Schuss wieder aus dem Loch herauskommst.“ Er grinste verhalten, dann zuckte er kurz, als er den Einstich der Nadel bemerkte.
„Gehts?“, erkundigte sich Sam. Neal nickte wieder nur still. Er sah, wie Sam mit der Nadel etwas Blut aspirierte und
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