Von Liebe und Gift
Verwunderung.
„Was soll das heißen? Bin ich oft so zu dir?“
Gero senkte den Kopf, als wolle er die Wahrheit für sich behalten, trotzdem gab er deutlich zu verstehen: „Ziemlich oft. Du scheinst es schon gar nicht mehr zu merken.“
Neal seufzte tief. Er zog noch einmal an seiner Zigarette und erklärte dann: „Es tut mir leid, Kleiner. Ich mache das nicht mit Absicht. Mir geht nur momentan so viel im Kopf herum.“
Wieder nickte Gero verständnisvoll. „Ich mache dir auch keine Vorwürfe“, sprach er. „Du solltest einfach nicht so viel arbeiten. Du musst lernen, dich zu entspannen - und zwar ohne Glimmstängel!“ Er nahm seinem Freund die Zigarette aus der Hand und drückte sie im Aschenbecher aus. Dabei bemerkte er, wie Neal ihn mit den Armen umfasste und zu sich heranzog. Sie versanken in einem innigen Kuss.
Neals zorniges Verhalten war vergessen. Anstandslos ließ sich Gero verführen …
Als Francis am nächsten Tag ihren Bruder besuchte, fand sie diesen im Garten vor. Dort lag er auf dem Rasen, hatte die Arme und Beine von sich gestreckt und die Augen geschlossen.
„Geht’s dir gut?“, fragte sie besorgt, als sie sich über ihn beugte.
Neal lächelte und öffnete die Augen. „Ja, ich versuche zu entspannen - ohne Glimmstängel, verstehst du?“
Seine Schwester schüttelte den Kopf. „Auf was für Sachen du kommst!?“
Spontan setzte sie sich zu ihm auf den Rasen, dabei deutete sie auf eine Tüte, die sie bei sich trug. „Ich habe die CDs mit, die sich Thilo von dir geliehen hatte.“
„Aha?“ Neal richtete sich auf. Nachdenklich legte sich seine Stirn in Falten. „Warum hat er sie nicht selbst vorbeigebracht? Ich habe ihn schon lange nicht gesehen.“
Neugierig blickte er in die Tüte, als hätte er vergessen, welche CDs er Thilo verliehen hatte.
Francis versuchte zu erklären:
„Thilo hat keine Lust auf deine Launen.“
„Welche Launen denn?“ Neals Stimme hob sich. Unsicher sah er seine Schwester an.
Diese seufzte. Sie kam nicht drum herum, Klartext zu reden.
„Gut gelaunt bist du in letzter Zeit wirklich nicht.“
Es klang vorwurfsvoll, und doch konnte sie ihren Bruder dabei nicht direkt ansehen. Der wirkte nun noch unzufriedener.
„Gero hat gestern auch schon so etwas gesagt“, stellte er bedrückt fest. „Ist es wirklich so schlimm?“
Francis nickte.
„Seitdem du aus London zurück bist, bist du irgendwie anders. Und nachdem du den Entzug gemacht hast, ist es noch viel schlimmer geworden. Du bist so ernst und verbittert.“
Neal winkte sofort ab, als er das hörte.
„Das war nur, weil ich gestresst war“, versuchte er zu erklären.
Doch Francis konnte sich damit nicht zufriedengeben.
„Das sagst du ständig. Doch irgendwann muss der Stress doch auch mal ein Ende haben, oder nicht?“ Fragend sah sie in seine blauen Augen. „Hat dein Verhalten wieder was mit Drogen zu tun?“
„Blödsinn!“, schoss es aus Neal heraus. Seine Finger krallten sich dabei in den Rasen. „Ich brauche keine Drogen. Ich schaff das ohne!“, sagte er verbissen. Doch sein Blick blieb betrübt, als er über sein großes Grundstück hinwegsah. „Ich fühle mich momentan einfach leer, verbraucht. Ist sicher nur ein kleines Tief.“
Er versuchte zu lächeln, doch es sah kläglich aus.
„Dann reiß dich etwas zusammen!“, forderte Francis, ohne wirklich Mitleid für ihren Bruder zu empfinden. „Wir alle können nichts dafür, dass du dich so fühlst. Und Gero schon gar nicht. Also behandle uns auch dementsprechend.“
Neals Finger ließen den Rasen los. Er wusste, was seine Schwester meinte, und plötzlich fühlte er sich schuldig. „Ich verspreche, mich zu ändern“, sagte er somit. „Es nervt mich ja selbst, dass ich so drauf bin.“ Gefühlvoll küsste er ihre Wange. „Mach dir keine Gedanken. Ich habe das bald wieder im Griff.“
Geros Gesicht war voller Rasierschaum, als er sich am Morgen in Neals Bad rasierte. Vorsichtig setzte er seinen Nassrasierer an, um sich über die Wange zu fahren. Im Hintergrund ertönte plötzlich lautes Geschrei:
„Damned! Jetzt hab ich auch noch verschlafen!“
Aufgebracht kam Neal ins Bad gerannt. „Weg da, ich muss ans Waschbecken!“, fuhr es aus ihm heraus, dann schubste er seinen Freund zur Seite. Gero rutschte dabei die Klinge ab, so dass er sich in die Wange schnitt.
„Au!“, zischte er. Schnell drückte er das weiße Handtuch auf seine Haut, doch er konnte damit nicht verhindern, dass der
Weitere Kostenlose Bücher