Von Liebe und Gift
Schnitt zu bluten anfing. „Nur wegen dir“, entwich es ihm. Verstört versuchte er einen Blick in den Spiegel zu werfen, doch Neal versperrte jegliche Sicht.
„Dabei habe ich heute einen wichtigen Termin und muss auf Nicholas aufpassen“, fluchte der inzwischen weiter. „Und ich verschlafe!“ Hektisch spritzte er sich Wasser ins Gesicht. Er bemerkte nicht, wie Gero erneut auf sich aufmerksam machte.
„Hast du gehört? Ich habe mich geschnitten - wegen dir!“
„Wieso?“ Neal sah auf. Überrascht sah er auf Geros blutende Wange.
„Du hast mich doch eben zur Seite geschubst!“ Erneut drückte Gero das Handtuch auf den Schnitt, dabei verzog er das Gesicht schmerzgeplagt.
„Ich habe dich gar nicht geschubst!“, konterte Neal gereizt. „Du kannst dich nicht richtig rasieren, das ist es!“
Gero verharrte einen Moment, als könne er die dreiste Art seines Freundes nicht nachvollziehen. Schließlich schüttelte er den Kopf.
„Du bist so rücksichtslos“, sagte er verzweifelt. „Vielleicht sollte ich in Zukunft nicht mehr bei dir übernachten.“ Erneut wischte er das Blut von der Wange, dann fuhr er mit zittrigen Händen fort, sich zu rasieren.
Neal atmete tief durch. Mit viel Mühe versuchte er sich zu beruhigen.
„Wenn ich dich wirklich geschubst habe, dann tut es mir leid.“
Seine Finger strichen sanft über Geros Rücken, und im nächsten Moment widmete er sich wieder seinen eigenen Aktivitäten. Flink kämmte er sein langes Haar, griff nach dem After Shave, welches ihm wie Seife durch die nasse Hand rutschte und klirrend zu Boden fiel.
„Auch das noch!“, schrie Neal sauer. Mit dem Fuß schob er den kaputten Flakon zur Seite, dann blickte er seinen Freund wütend an. „Warum musst du auch jetzt im Bad sein? Das ist doch viel zu eng!“
Gero senkte den Rasierer. „Ich kann doch nicht ahnen, dass du heute früh aufstehen musst.“ Mit dem Handtuch rieb er sich die letzten Reste des Rasierschaums von der Haut.
„Ach, wie ich so was hasse!“, gab Neal von sich. „Jetzt habe ich nicht mal mehr Zeit, um zu duschen!“ Dann drehte er sich um, verließ das Bad und knallte hinter sich die Tür zu.
Er sah nicht mehr, wie Gero die Tränen in die Augen schossen. Verzweifelt sah er zu Boden, als sich die Badezimmertür wieder öffnete.
„Was ist mit heute Abend? Sehen wir uns?“, warf Neal in den Raum.
„Wenn du möchtest.“ Geros Stimme vibrierte schwach. Noch immer war sein Blick zu Boden gesenkt.
Schließlich bemerkte er, wie sein Freund näherkam und ihn umarmte.
„Hey, Kleiner. Es tut mir leid. Ich wollte nicht schon wieder schreien.“
Gero nickte still. In Neals Armen wurde er kraftlos und begann zu schluchzen.
„Was ist denn los?“, fragte Neal daraufhin.
Gero befreite sich aus dem Griff. Nun endlich konnte er seinen Freund wieder in die Augen sehen, doch vor ihm war alles verschwommen.
„Du bist so anders als früher“, bekam Neal zu hören. „Egal, was ich mache, es ist falsch. Immer bist du böse auf mich.“
Es klang verzweifelt. Gero hielt sich die Hände vor sein Gesicht, um Tränen zu verbergen.
„Ich bin doch nicht böse auf dich!“, versicherte Neal. Mit so einem Vorwurf hatte er nicht gerechnet.
„Aber, warum bist du denn immer so gereizt?“ Geros Stimme zitterte. Völlig unverständlich stand er Neal gegenüber. „Es muss etwas sehr schlimmes sein, was dich belastet, sonst würdest du mir erzählen, was mit dir los ist.“
Ein paar Sekunden herrschte Stille zwischen den beiden Männern, bis Neal laut seufzte.
„Ich weiß, ich bin momentan unausstehlich.“ Er verzog das Gesicht, als er daran dachte, wie unmöglich er sich tatsächlich manchmal benahm. „Aber es liegt nicht an dir. Ich werde mich ändern“, versprach Neal zuversichtlich. „Ich fange heute damit an.“
Erneut nahm er seinen Freund in die Arme. „Du wirst sehen: heute Abend ist alles so wie sonst.“ Er drückte Gero an sich. „Ich liebe dich. Vergiss das nicht.“
„Nein.“ Eine große Erleichterung fiel von Gero ab, und inzwischen konnte er auch wieder lächeln.
Neal hatte seinen Sohn von der Schule abgeholt, denn Francis hatte heute wichtige Besprechungen in der Firma. Ohnehin wollte sich Neal mehr um seinen Sohn kümmern, und jetzt standen beide, bei strömendem Regen, im Park. Nicholas trug ein gelbes Regencape. Zudem hielt er einen kleinen blauen Schirm in der Hand.
„Papi, du wirst ganz nass!“, stellte der kleine Junge fest. Besorgt sah er
Weitere Kostenlose Bücher