Von Liebe und Gift
versteinert vor ihr stand und ihren Mund weiterhin fixierte.
Der Kuss hatte ihm gefallen, das hatte Francis gespürt. Er hatte ihn sinnlich erwidert, so dass auch sie Gefallen daran gefunden hatte. Sie hatte schon immer geahnt, dass Gero in seiner Leidenschaft sanft und gefühlvoll vorging, und der zärtliche Kuss bestätigte dies vollkommen. „Wir sollten wieder zum Tisch gehen, bevor du noch mal angequatscht wirst“, unterbrach Francis die peinliche Stille. Gero nickte. Allmählich kehrte Leben in seinen Körper zurück.
„Danke, dass du mir geholfen hast. Das war echt nett.“
Später fuhren sie mit Thilos Wagen nach Hause. Nur unschwer war zu erkennen, dass dieser doch noch ein Weilchen mit Christen allein sein wollte. Vielleicht wollte er die Situation zwischen ihnen klären?
Als sie an dem Haus, in dem Gero, Thilo und Francis wohnten, angekommen waren, fasste Francis fast unbemerkt an Geros Arm und lotste ihn in ihre Wohnung.
„Wir sehen uns noch einen Film an!“
Christen nickte, und als Thilo diese Botschaft hörte, zwinkerte er Francis dankbar zu. Somit verschwanden Thilo und Christen zusammen in der WG, und Gero folgte Francis in ihre Wohnung.
„Meinst du, es wird mal was zwischen den beiden?“, fragte Gero, als er sich auf das Sofa gesetzt hatte und gierig ein paar Salzstangen aß. Francis zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht. Ich würde es Christen jedenfalls gönnen.“
Sie zog ihre hochhakigen Schuhe aus und nahm ebenfalls auf dem Sofa Platz. Genüsslich massierte sie ihre Fußsohlen, die von dem langen Discoabend schmerzten. „Obwohl sie optisch gar nicht zusammen passen.“ Sie lächelte, als sie an ihre blondgelockte Freundin dachte, die immer seriös, fast ein wenig altmodisch gekleidet war. Thilo dagegen war ein Szene-Mensch, der seine Vorliebe für die Gothic Bewegung aufgrund seiner stets schwarzen Kleidung und dem auffälligen Make-up kaum verbergen konnte.
„Ich glaube, Thilo ist noch verliebt in dich.“ Geros Worte kamen nicht überraschend. Francis wusste das schon seit Jahren, und doch gab sie die Hoffnung nicht auf, dass Thilo sich endlich eine andere Frau suchen würde.
„Wir passen auch nicht zusammen, und außerdem ... werde ich wohl nie aufhören, Neal zu lieben.“ Ein kleiner Seufzer folgte, denn sie war Neals Schwester. In gewisser Weise war die Liebe zu ihrem Bruder verboten, doch sie lebten diese Liebe trotzdem aus, wenn auch nicht in der direkten Öffentlichkeit.
Gero nickte verständnisvoll.
„Er ist ja auch etwas ganz Besonderes.“ Auch er seufzte, während er an seinen Freund dachte.
„Schön, dass du nicht mehr so traurig bist wie am Anfang“, erinnerte Francis an Geros anfängliche Schwierigkeiten, mit der Abwesenheit von Neal klarzukommen.
„Also, ich vermisse ihn schon“, stellte Gero daraufhin klar. Er stellte die Schüssel mit den Salzstangen weg. „Aber ich komme damit zurecht.“
Das hörte Francis gerne. Sie erhob sich und blickte dabei auf ihre silberne Armbanduhr.
„Ich geh schlafen. Willst du heute wieder hier bleiben?“ Sie machte eine Pause, in der Gero sie überrascht ansah. „Ich meine, wegen Thilo und Christen. Vielleicht sollten wir die beiden alleine lassen?“
Gero entspannte sich und nickte zustimmend. Er hatte schon so oft bei Francis übernachtet, in der Zeit, in der Neal in London war. Es war also nichts außergewöhnliches, dass er sich mit ihr das Bett teilte, damit Thilo und Christen in der WG ungestört waren.
Und doch blieb ein gewisser Zweifel in seinem Gesicht zurück. Er zögerte eine Weile, bis er sein Anliegen hervorbrachte:
„Du, vorhin in der Disco ...“, fing er an und sah dabei zu Boden. „Der Kuss, ich meine, es tut mir leid, wenn ich vielleicht etwas doll ...“
Er musste nicht weiter sprechen. Francis wusste sofort, was ihn bewegte, und schon versuchte sie ihn zu beruhigen.
„Ich habe dich wegen der Typen geküsst, okay? Mehr nicht.“ Sie sah ihr Gegenüber direkt an, dann strich sie ihm über das Haar. „Es war in Ordnung.“
Gero lächelte, doch wirklich geklärt hatte er sein Verhalten damit nicht.
Früh am Morgen, es war noch dunkel, ging plötzlich das Telefon. Francis schreckte hoch, und nachdem es nicht aufhörte zu läuten, rannte sie in den Flur, um abzuheben.
Sie klang ganz verschlafen, doch als sie die Stimme am anderen Ende hörte, wurde sie hellwach.
„Neal? Bist du es?“ Es knackte in der Leitung. Sie verstand fast kein Wort. Zudem
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