Von Liebe und Gift
Angelegenheit.“
„Pardon?“ Zuerst reagierte Neal entsetzt, als er die Worte seiner Mutter hörte, doch dann zügelte er sich. Sie konnte es ja nicht ahnen, sie konnte es nicht … Sie wusste es nicht.
Neal biss sich auf die Unterlippe und sah unzufrieden auf den Teller. Immer diese Reibereien, wenn sie bei ihren Eltern waren. Immer Streit und diese Geheimnisse …
Es zauberte ihm trotzdem ein Lächeln auf den Mund, als er seine Schwester hörte:
„Nicholas isst zu Hause auch nicht so viel. Sicher darf er noch Eiscreme haben. Das mögen Kinder doch am liebsten. Neal hat schon Recht.“
Er zwinkerte ihr dankbar zu.
„Na, wenn du meinst“, sagte Stephanie schnippisch. Sie erhob sich. „Dann wollen wir mal sehen, was Carla für Eis gekauft hat.“
Sie verließ das Esszimmer. Nicholas folgte freudestrahlend. Und als Francis das nachdenkliche Gesicht ihres Bruders sah, wusste sie, dass jetzt wohl der beste Zeitpunkt gekommen war, um Neal und ihren Vater alleine zu lassen.
Sie nickte Neal noch aufmunternd zu, dann verließ auch sie den Raum.
Neal sagte zuerst nichts, dann steckte er sich eine Zigarette an. Er wusste, dass seine Mutter es gar nicht gerne sah, wenn er am Esstisch rauchte, doch jetzt war er zu nervös, um darauf zu verzichten.
„Ich muss mit dir reden, Dad“, fing er schließlich an. Er konnte nicht mehr still sitzen und erhob sich.
„Ja?“ Peter Anderson sah interessiert vom Teller auf.
„Unter vier Augen“, sprach Neal weiter. Es klang ernst. Peter legte demzufolge sein Besteck zur Seite. Er war ohnehin fertig und deutete nach nebenan. Zusammen gingen sie in die Bibliothek, wo sie ungestört waren.
„Schieß los!“, forderte Peter, während er zwei Gläser Whiskey an der Hausbar zubereitete.
„Es geht um Francis und mich“, begann Neal. Er nahm eines der Whiskeygläser entgegen und nahm auch sogleich einen Schluck.
Peter seufzte. „Ach, das habe ich mir schon gedacht. Irgendeinen Grund musste euer plötzlicher Besuch ja haben.“
Es kam nicht gerade erfreut über Peters Lippen. Er wusste zwar von der verbotenen Liebe seiner Kinder, und doch hatte er all die Jahre nicht aufgehört zu hoffen, dass das alles irgendwann einmal kein Thema mehr sein würde. Da musste ihn sein Sohn allerdings enttäuschen.
„Ja, also … Francis …“, fuhr Neal fort. Er senkte den Kopf. „Sie ist wieder schwanger.“
Eine bedrohliche Stille stellte sich ein. Neal leerte sein Whiskeyglas. Er zitterte. Nervös führte er die Zigarette zum Mund. Er wagte kaum, seinen Vater anzusehen. Und so sehr sich Neal auch auf das Kind freute, das Gefühl, seinem Vater davon zu berichten, war genauso schlimm wie damals. Vielleicht noch schlimmer, denn inzwischen war Neal reifer und konnte sich aus keiner Verantwortung herausreden.
„Oh, my God “, kam es aus Peter heraus. Er schüttelte den Kopf, fuhr sich über die Augen. Er war sichtlich schockiert. Er konnte keine Worte fassen. Die weitere Stille schnürte Neal fast die Luft ab. Dass sein Vater sich nicht weiter äußerte, war kaum zu ertragen. Aber Neal wusste selbst nicht, was er hinzufügen sollte. Er war erleichtert, als schließlich Peter mit einigen Vorwürfen kam.
„Konntet ihr nicht aufpassen?“, zischte er, nicht so laut, damit es sonst niemand mitbekam. „Seid ihr euch eigentlich bewusst, was da wieder auf euch zukommt? Und überhaupt, ich dachte, dass zwischen dir und Francis nichts mehr ist, seitdem du diesen Gero hast.“
Neal schüttelte den Kopf. Tatsächlich schämte er sich. Das würde wohl niemals aufhören. Er trug die Liebe zu seiner Schwester eigentlich mit Stolz und reinem Gewissen in seinem Herzen, doch wenn er Kritik von seinem Vater hörte, verspürte er immer noch das Gefühl damals etwas ganz schlimmes angefangen zu haben.
„Dad, ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst“, versuchte er trotzdem zu erklären, „aber Francis und ich lieben uns, wie ein Paar. Gero hat damit nichts zu tun. Er ist zwar mein Partner, aber das mit ihm ist etwas ganz anderes.“
Peter atmete geräuschvoll aus. „Das sind verheerende Zustände!“
Neal nickte. „Ich weiß, aber das Baby kann nichts dafür …“
Flehend sah er seinen Vater an. „Bitte, du musst uns helfen, nicht verurteilen.“
Am Abend lag Francis in ihrem alten Zimmer. Sie waren nicht nach Hause gefahren, sondern wollten sogar noch einen Tag länger bei ihren Eltern bleiben. Erinnerungen an ihre Kindheit kamen ihr in den Sinn. Wie viel war bloß
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