Von Liebe und Gift
Fleck. Sein Kinn wies eine Schürfwunde auf.
„Ach das …“ Geros Stimme klang zögernd. „Ich bin gegen den Schrank gelaufen, äh, nein, eher gegen die Wand …“ Sein Blick senkte sich, was Francis sofort signalisierte, dass seine Aussage nicht der Wahrheit entsprach. Prüfend sah sie ihn an.
„Das stimmt doch nicht, oder?“
Gero seufzte tief. Er haderte mit der Antwort, aber Francis konnte und wollte er einfach nicht anlügen. „Es ist gestern Nacht passiert“, gestand er dann. „Neal hat wohl nicht richtig aufgepasst.“
Sofort fuhr ein Schrecken durch Francis’ Körper. „Was hat denn Neal damit zu tun? Hat er dich etwa geschlagen?“
Sofort wehrte Gero ab. „Nein, natürlich nicht. Es ist beim Sex passiert. Ich weiß nicht mehr. Es ist doch nicht schlimm.“
Er drehte sich um und ging in die Küche, dort sah er in die Kochtöpfe, um bewusst vom Thema abzulenken. „Mmh, das sieht gut aus.“
Aber für Francis war die Angelegenheit längst nicht erledigt. Sie folgte Gero und stellte ihn erneut zur Rede.
„Beim Sex sagst du?“ Sie schüttelte den Kopf. „Glaub mir, ich selbst weiß, wie stürmisch Neal manchmal sein kann, doch in all den Jahren hat er mir keine derartige Verletzung zugefügt. Und du sagst, das sei nicht schlimm?“
„Mensch, das hat er doch nicht mit Absicht getan!“, erwiderte Gero. Es sollte überzeugend klingen, doch seine Körpersprache signalisierte anderes.
„Absicht oder nicht!“, fuhr Francis fort. „So etwas darf nicht passieren. So etwas darfst du dir nicht gefallen lassen!“
Gero verzog sein Gesicht. Er wirkte wirklich genervt. „Aber wieso? Neal macht doch gar nichts!“
„Ach, du findest es also in Ordnung, wie er dich behandelt? Wie er dich bevormundet, dir ständig Vorschriften macht, dir überall rein redet? Und nun knallt er dich voller Hingabe gegen die Wand?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich fass das nicht!“
Sie setzte sich an den Küchentisch. Sie war froh, dass ihr Sohn in seinem Zimmer war und spielte. Unmöglich sollte er etwas von diesem Gespräch mitbekommen.
„Reg dich doch nicht so auf“, lenkte Gero erneut ein. „Es ist wirklich nicht so, wie du denkst.“
Francis senkte den Blick. Es hatte keinen Sinn, laut zu werden. Lange schon hatte sie das Verhältnis zwischen Gero und ihrem Bruder kritisch beobachtet. Und der heutige Tag zeigte ihr erneut, dass sie Gero warnen musste.
„Öffne doch endlich mal die Augen“, sagte sie mit einer ruhigen Stimme. „Merkst du denn gar nicht, was Neal mit dir anstellt? Wie er dich völlig unmündig macht?“
Gero winkte ab. „So ein Quatsch!“ Er wich Francis’ Blick aus, als wolle er gar nicht hören, was sie zu sagen hatte. Deutlich verzog sich sein Gesicht erneut, als er sie weiterreden hörte:
„Eure Beziehung ist einseitig. Neal verschlingt dich mit Haut und Haaren, und du gibst klein bei, machst ständig, was er sagt. Selbst wenn er dich verletzt, verzeihst du ihm. Er braucht dich nur ordentlich durchficken und schon ist alles wieder okay.“
Da wandte sich Gero empört um. „Wie redest du denn!?“
„Es ist doch wahr!“, entgegnete Francis. Ihre Stimme war lauter geworden. Sie beide sahen sich an, bebten vor Emotionen, so dass sie nicht hörten, wie Neal die Wohnung betrat und schließlich ebenfalls in die Küche kam.
„Ihr streitet?“ Fragend sah er erst Francis und dann seinen Freund an. Als er den erblickte, verdunkelte sich seine Miene sofort. „Hey, Kleiner, was hast du denn gemacht?“ Vorsichtig fasste er Gero an die Schürfwunde am Kinn und sah dann auf die ebenfalls verletzte Stirn.
„Es ist nichts“, wehrte Gero sofort ab. „Alles in Ordnung.“
Da platzte Francis erst Recht der Kragen. Sie wurde wütend und konnte sich nicht mehr zurückhalten. „Du weißt nicht, woher Gero die Verletzungen hat?“, schrie sie aufgebracht.
Neal schüttelte den Kopf. Seine Augen waren ehrlich, sein Blick besorgt. Ein Anzeichen dafür, dass er wirklich nicht wusste, woher sein Freund die Wunden hatte.
„Da siehst du es!“, ertönte Francis’ wütende Stimme. „Er kann sich nicht mal daran erinnern, was er dir angetan hat! Verstehst du jetzt, was ich meine?“
Verstört sah Gero zu Boden. Seine Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Er brachte keine Kraft mehr auf, sich gegen diese Anschuldigungen zu wehren.
„Hör auf damit“, war das Einzige, was über seine Lippen kam, dann rannte er aus der Wohnung.
Neal konnte kaum glauben, welche Szene sich ihm
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