Von Liebe und Gift
habe.“
Sofort zuckte Gero zusammen. „Was?“, schrie er entsetzt, wollte sich umdrehen, doch Neal umfasste ihn noch stärker und drückte ihn an sich, hinderte ihn daran, den Augenkontakt aufzunehmen.
„Ruhig, Kleiner!“, forderte er. „Du wolltest nicht ausflippen, bleib ruhig!“
„Ja, aber Drogen!“ Gero atmete hektisch. Verstört sah er durch den Raum. „Wieso?“
„Psst!“, zischte Neal. „Du solltest nicht fragen!“
Aus Gero kam ein kläglicher Laut der Verzweiflung. Er biss sich auf die Lippen, unterdrückte Tränen und schloss die Augen. Nur mit Mühe konnte er sich zusammenreißen, obwohl ihm plötzlich einiges klar wurde.
„Okay, ich frage nicht …“
„Ich will mich dafür entschuldigen“, sagte Neal schließlich. Sein Mund war dicht an Geros Ohr gepresst. Seine Stimme klang ehrlich und einfühlsam. „Ich war ungerecht zu dir. Entweder, weil ich Drogen intus hatte, oder, weil ich gerade keine hatte, verstehst du?“
Gero nickte still. Sein ganzer Körper war verkrampft. Seine Atmung ging unregelmäßig. Sie war geräuschvoll und deutete auf eine deutliche Aufregung hin.
„Was für Drogen waren das denn?“
Neal seufzte laut. Er wollte verhindern, dass sein Freund Fragen stellte, dass er zuviel erfuhr von der ganzen Sache. Aber ihm war auch bewusst, dass Gero ein Recht hatte, endlich darüber informiert zu werden.
„Es fing mit Tabletten an“, gestand Neal. Seine Stirn legte sich in Falten, als müsse er direkt überlegen, wie sich die ganze Sucht entwickelt hatte. „Schlaftabletten, Beruhigungsmittel, Muntermachen. Ich habe ab und zu Hasch geraucht, Ecstasy probiert, ... und nun nehme ich Kokain.“
Er senkte den Kopf, als könne er es selbst nicht glauben.
„Kokain?“, schrie Gero sofort. „so was Hartes nimmst du? Nein, wieso?“ Er wand sich in Neals Armen, schien an der Wahrheit zu zerbrechen. Verbittert schloss er die Augen und schüttelte den Kopf dazu. „Wieso? Wieso?“
„Ich nehme das doch nicht oft“, versicherte Neal sofort, ohne auf Geros Frage einzugehen. „Ich bin nicht süchtig. Ich habe das voll im Griff!“
„Ja?“ Geros Stimme klang dünn und ungläubig.
„Natürlich! - Und nach dieser Geschichte hier …“ Er ließ Gero los und ermöglichte dem damit endlich das Umdrehen, dann strich er zaghaft über Geros aufgeschürftes Kinn. „… ist mir klar geworden, dass ich damit aufhören muss. Ich werde aufhören. Ich brauche das Zeug nicht.“
Gero atmete erleichtert auf. „Das ist vernünftig von dir.“ Sie sahen sich an und spürten, dass dieses Geständnis keinen Keil, sondern eher weitere Nähe zwischen sie gebracht hatte. „Meinst du, das geht so einfach, ohne Therapie?“
„Yes.“ Neal schien zuversichtlich. „Eine Therapie ist was für Abhängige. So was brauche ich nicht.“
Demonstrativ löste er komplett die Umarmung von Gero, als wäre damit alles geklärt.
„Also keine Fragen mehr, okay?“, sagte er mit Nachdruck. „Wir haben alles besprochen.“
Gero nickte. Man konnte ihm jedoch ansehen, dass er noch eine Menge Fragen hatte, sie aber nicht mehr auszusprechen wagte, noch sich traute, irgendetwas anderes zu dem Thema einzuwenden.
„Ich wusste, dass man mit dir reden kann“, sagte Neal daraufhin. Er spürte eine Art von Erleichterung darüber, dass die Sache raus und Gero nicht nachtragend war. „Und wie gesagt: es tut mir schrecklich leid, was vorgefallen ist.“
Erneut sahen sich die Männer an. Da hob Neal sachte die Hand und strich über Geros verletzte Stirn.
„War es schlimm, gestern?“
Gero schloss die Augen und deutete ein Nicken an. „Es tat weh. Es tat wirklich weh.“
Neals Herz verkrampfte sich. Es war eine Situation eingetroffen, die er stets verhindern wollte. Er hatte Gewalt angewandt - gegenüber seinem Freund. Er hatte das getan, was ihm selbst in seiner Jugend widerfahren war. Ein Schauer rann ihm den Rücken hinunter, als er an die Vergangenheit dachte: an seinen psychisch gestörten Freund, der ihn damals gequält und misshandelt hatte, ganz ungewollt, vielleicht aus Liebe.
Aber jetzt war Neal selbst der Täter und schämte sich. Schon allein deswegen, weil er sich an seine Tat kaum erinnern konnte.
„Wie kann ich das bloß wieder gutmachen?“, entwich es ihm mit bedrückter Stimme. Er sah Gero an, strich ihm über die Wange. „Du bist so lieb und zart. Du hast auch nur Liebe und Zärtlichkeit verdient. Ich verspreche dir, nur noch lieb zu dir zu sein, ganz sanft, zärtlich
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