Von Moerdern und anderen Menschen
noch immer laufenden Bundesligareportagen. Wieder störte ihn das Telefon. Er riß den Hörer hoch.
«Ja, was willst du denn nun schon wieder!»
Doch diesmal war es jemand anders. «Wie? Ist dort nicht die FUNKTIONAL-BAU, Herr Piesarczik.»
«Ja. Ich dachte nur, das ist wieder meine…»
«Nein, nein, ich bin’s nur – Gonschorek.»
Piesarczik schaltete sofort auf freundschaftlich-kameradschaftlich um. «Was denn, du? Ich hab dich gar nicht gleich erkannt; ich konnt ja auch nicht wissen, daß du…»
«Ich hab eben bei euch zu Hause – und da hat mir deine Mutter…»
«Was ist denn?» fragte Piesarczik. «Klappt was nicht mit der Mannschaft?» Seitdem er dem VFL eine sechsstellige Summe zum Einkauf neuer Spieler überlassen hatte, genoß er ein gewisses Mitspracherecht bei der Mannschaftsaufstellung.
«Doch, doch», beruhigte ihn Gonschorek, «wir spielen morgen in der Aufstellung, die wir mit dir abgesprochen haben… Nee, du, ich muß dich leider dienstlich anrufen.»
Piesarczik massierte mit der freien Hand seine rechte Brusthälfte. «Dienstlich?» Immerhin war Gonschorek Kriminalbeamter, Oberkommissar.
«Ja. Ich bin heute nachmittag Kommissar vom Dienst, ich krieg heute alles mit… Da ist was Unangenehmes passiert.»
«Für mich was Unangenehmes, oder für die Firma…?» fragte Piesarczik dazwischen.
«Für beide.»
«Nun schieß schon los! Oder ist es Geheime Kommandosache?»
«Nein, nein, das ist kein Staatsgeheimnis, das kannste morgen früh in jeder Zeitung lesen: Eine von deinen Schreibdamen ist tot.»
«Isy – die Seywald? Sonst hättste mich doch nicht angerufen.»
«Ja… Ihr Bruder hat sie gefunden. Unfall. Von der ersten Etage die Treppe runtergefallen, auf ihren Marmortisch. Schädelbruch… Hallo, bist du noch da?»
Piesarczik sah ihre Schreibmaschine, ihren Drehstuhl; der kleine Stofflöwe, der immer am Telefon hing, fehlte… Scheiß auf den Stofflöwen. «Ja, ja, ich bin noch da… Ich muß erst noch drüber wegkommen.»
«Ich wollt’s dir nur sagen.»
«Danke, ja.»
«Nimm’s nicht so tragisch», sagte Gonschorek.
«Du, ich…» begann Piesarczik.
«Ich weiß, ihr wart…»
«Nein, nein, aber… Wann ist es denn passiert?»
Gonschorek überlegte. «Warte mal, das kann ich dir ganz genau sagen… Die Leiter hat nämlich ihre alte Stiluhr von der Konsole gerissen, und die ist stehengeblieben auf 13.32 Uhr, genau zwei Minuten nach halb zwei.»
«Ich kann’s noch gar nicht fassen, wir…»
«Komm, bleib ruhig!» sagte Gonschorek.
«Du hast gut reden.»
«Komm mal morgen mit zum Spiel.»
«Morgen… Ja, komm ich dann mit», sagte Piesarczik.
«Okay! Bis dann.»
«Bis dann…» Piesarczik legte auf und goß sich noch einen Whisky ein. Dann sah er auf Isys Telefonverzeichnis. «M wie Moderegger – hier.» Er nahm den Hörer ab und wählte.
Da war schon dessen Stimme. «Moderegger…»
Piesarczik schwieg.
«Hallo, ist da jemand…? Hallo!? Rita…? Laß doch den Unsinn, ich merk doch, wer’s ist. Hallo…?» Moderegger vermutete offensichtlich einen Kontrollanruf seiner Frau.
Piesarczik wartete noch einen Augenblick und legte dann auf. «Zu Hause ist er also…» murmelte er noch.
Reinhold Moderegger, wie Piesarczik Jahrgang 35, war vom Typ her einer der Menschen, von denen man ohne Bedenken einen Gebrauchtwagen gekauft hätte. Ließen ihn Gesten und Aussehen wie einen gehobenen Bankmenschen wirken, so verlieh ihm sein rotblonder Schnauzbart etwas von einem liebenswerten Schlawiner. Zwar war er Diplom-Ingenieur, doch das allein hätte ihm wohl kaum das Leben ermöglicht, das er derzeit führte, mit eigenem Tennisplatz hinter der Villa und jährlicher Reise in die Karibik; dazu war schon die Einheirat in eine der wohlhabenden Familien hier am Orte notwendig gewesen. Für einen, der mal als Maurer begonnen hatte und dann über den zweiten Bildungsweg nach oben gekommen war, ein schöner Erfolg.
Es war zwanzig vor vier, und er befand sich gerade auf der Toilette, als ihm der Gong auf der Diele unüberhörbar einen Besucher meldete. Oder sollte seine Frau schon zurück sein? Moderegger beeilte sich, zur Wechselsprechanlage zu kommen.
«Ja, bitte…?»
«Hallo, Moderegger. Piesarczik hier.»
«Sie – heute? Wo brennt’s denn?»
«Ich muß mit Ihnen reden.»
«Das klingt ja schlimm… Is was mit der Firma?» fragte Moderegger sofort.
«Nein, nein. Was ganz Privates.»
«Dann komm’n Sie doch rein. Kräftig gegen die Tür drücken.»
«Ihre Frau ist
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