Von Namibia bis Südafrika
können was. Ein Grund für die Walz ist die Bewahrung alter Handwerkskünste, die heute beim Hausbau nicht mehr sonderlich gefragt ist. So traf ich einmal in Syrien einen Schreiner auf der Walz, der die Kunst des Intarsienlegens lernte. Auch Uwe wollte nach dem Afrikatrip etwas völlig Neues lernen: in Indien den Bau eines Holzschiffes.
„Das ist mein Traum“, sagte er. „In Deutschland kann ich das nicht lernen.“
Ich brachte die nächste Runde Bier, und fragte, was für eine Art von Haus sie denn in Namibia erstellten.
„Eine Lodge in Pfahlbauweise“, sagte Andreas. „Die liegt am Arsch der Welt. Bis zur Piste sind's vier Stunden zu Fuß, und nach Maltahöhe nochmals 150 Kilometer. Und mal ehrlich, was willst du in Maltahöhe? Da gibt's nicht mal ‘ne Kneipe.“
So ließen sie nach zwei Monaten Schufterei den Hammer Hammer sein, um ein wenig durchs Land zu ziehen, ein paar Bierchen zu trinken und dem weiblichen Geschlecht zu huldigen, welches reges Interesse an den vier schwarz gekleideten Gesellen zeigte. Die Runde holländischer Touristinnen am Tisch gegenüber schielte jedenfalls ständig rüber.
„Sollen wir euch zwei Stunden allein lassen?“, fragte ich, aber Andreas winkte ab. Freiheit hin oder her, sie mussten zurück und das Haus fertig bauen. In ein paar Tagen sollte Richtfest sein.
Ein Richtfest in der Wüste. So etwas kann man sich nicht entgehen lassen. Ich brauchte nichts weiter zu sagen.
„Wie wär's, wenn wir euch hinfahren?“ fragte Rolf.
„Großartig“, antwortete Andreas. „Dann haben wir doch noch Zeit.“
Sprach's, stand auf, nahm sein Bier und setzte sich hinüber zu den Antjes.
„Tag, die Damen“, sagte er, „kann man behilflich sein?“
Der Abstecher lohnte sich. Die Kalahari im nördlichen Teil Südafrikas und im südlichen Teil Namibias präsentierte sich als endlose braune Fläche. Als wir den Ort Grünau erreichten, kann bei der Namensgebung nur der Wunsch Vater des Gedankens gewesen sein. Grün war hier nämlich gar nichts, nicht mal die kümmerlichen Halme, die aus dem Boden ragten. Während der nächsten Stunden Fahrt musste ich an den Herrn der Ringe denken, an den endlosen Marsch der Hobbits Frodo und Sam durch die „Braunen Lande“. Ob sich Tolkien von diesem Teil der Kalahari ebenso hat inspirieren lassen, wie von Südafrika's Garden Route, würde mich nicht wundern. Hin und wieder stießen wir auf ausgebrannte Autowracks am Straßenrand, von denen eines noch rauchte. Wir hielten an und schauten uns um; kein Mensch war zu sehen. Ein heißer Wind fegte über die Steppe, am Horizont sah ich Wetterleuchten und das Auto kokelte vor sich hin. Ich konnte mir denken, was passiert war. Ähnlich wie ich das von Australien und den USA kenne, wird der Transitverkehr im südwestlichen Afrika von riesigen Trucks bestritten, gegen die deutsche Lastwagen wie Spielzeug wirken. Die Trucker kennen nur ein Pedal, und das ist das Gaspedal. Wer nicht bei drei auf den Bäumen ist, wird von der Straße gepustet, und da es hier keine Bäume gibt, passiert das immer wieder. Das ausgebrannte Auto am Straßenrand hatte dieses Schicksal erlitten, und wir konnten nur hoffen, dass die Insassen mit dem Schrecken davon gekommen waren.
Nach Grünau in Richtung Lüderitz änderte sich die Landschaft. Aus Ebenen wurden Anhöhen, aus Anhöhen Hügel. Auch der Boden verwandelte sich, wurde sandiger. Und, natürlich, die Farben: Ocker und sattes Rot dominierten, mit lavaschwarzem Gesprengsel dazwischen, und immer wieder das Silbergrün von Buschmanngras. In Goageb bogen wir nach Norden ab, um über Helmeringhausen nach Maltahöhe zu gelangen, und von dort weiter nach Namibrand.
In dieser Gegend war vor rund einem Vierteljahrhundert etwas geschehen, das man gut und gerne als Wunder des Naturschutz bezeichnen darf. Um es zu verstehen, muss man die Uhr ein paar Jahrzehnte zurückdrehen. Damals, in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, siedelten sich Leute im leeren Land zwischen Atlantikküste, der Wüste Namib und dem Nubib-Gebirge an. Viele waren Deutsche, die trotz der Niederlage im Ersten Weltkrieg im Land geblieben waren. Sie bohrten Wasserlöcher, wühlten Wege durch den Sand und zogen Weidezäune. Diese Pioniere waren von der Idee besessen, aus Wüste Weideland zu gewinnen. Wir können uns nicht vorstellen, welche Plackerei es gewesen sein musste, in einer Gegend Landwirtschaft zu betreiben, in der tagsüber das Quecksilber aus dem Thermometer hüpft und nachts sich die
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