Von nix kommt nix: Voll auf Erfolgskurs mit den Geissens (German Edition)
irgendwelchen Nippes, den er auch und vor allem aus Asien importierte. Wir unterhielten also schon Handelsbeziehungen zu China, da war das Reich der Mitte bei den meisten deutschen Großkonzernen noch gar nicht auf der Landkarte!
Jedenfalls nahm mich mein alter Herr eines schönen Tages zum ersten Mal mit auf die Kanton-Messe. Diese riesige Ausstellung war – und ist glaube ich auch heute noch – die größte Import- und Exportmesse Chinas. Zur damaligen Zeit war sie praktisch die einzige Messe, auf der ausländische Handelskontakte überhaupt zugelassen waren. Knapp fünfzehntausend Firmen boten dort ihre Waren an.
Heute düst man da ganz locker mit dem A 380 in zehn Stunden hin. Vor fast dreißig Jahren aber, alsich mit Papa erstmals dort war, mussten wir schonim Vorfeld einen enormen Aufwand betreiben! Wir brauchten ein Visum vom Konsulat und jeder von uns gleich zwei gültige Pässe. Vor allem aber waren wir gut und gerne zwei Tage unterwegs. Von Frankfurt ging’s zuerst mal nach Bangkok. Nach einerstundenlangen, ätzenden Prozedur, bei der wir einen unserer Ausweise abgeben mussten, flogen wir weiter nach Hongkong. Dort hieß es wieder warten, bis dann die letzte Etappe nach Guangzhou führte, wie Kanton in China offiziell heißt.
Dieser Teilflug mit Air China, die von meinem Vater seinerzeit nur »Nevercomeback Airline« genannt wurde, war jenseits aller europäischen Sicherheitsbestimmungen. Es gab keine Gurte, keine Ansagen auf Englisch, und die Maschine klapperte an allen Ecken und Enden. Mir war nicht wohl bei der Sache. Womöglich ist ein Teil meiner Vorbehalte gegenüber Flugzeugen aller Art diesem Erlebnis geschuldet. Immerhin kamen wir lebend an. Doch auch der Flughafen von Guangzhou entsprach nicht dem, was man aus Europa gewohnt war: Er bestand vorwiegend aus notdürftig zusammen gezimmerten Bambusstangen. Es war wirklich extrem abenteuerlich!
Wir blieben zwei Wochen drüben. Die Tage auf der Messe waren für mich ein echter Kulturschock! In und zwischen den Hallen wuselten zehntausende Menschen herum. Überall herrschte riesiges Gedränge und lautstarkes Gefeilsche. Es gab fast nichts, was es nicht gab: Von Plüschtieren bis hin zu Möbeln, von Nagelfeilen bis zu Fahrrädern, von Feuerwerkskörpern bis zu Ölbildern konnte man alles kaufen – und zwar wie in Asien üblich vorwiegend im ganz großen Stil.
Mein Vater verhandelte hart, da ging es um jeden Yuan. Jeden Abend musste er mit irgendwelchen chinesischen Geschäftsleuten zum Essen. Ich durfte mit. Was wir da alles vorgesetzt bekamen, will ich im Nachhinein gar nicht mehr wissen. Hund und Schlange waren da mit Sicherheit dabei. Dazu gab’s viel Reiswein und ein bisschen Tee! Diese sonderbaren Gelage gingen bis tief in die Nacht. Wir waren fix und alle. Deshalb war ich auch heilfroh, als mein Vater mit seiner Einkaufstour durch war, die uns zwischendrin sogar noch für einen Abstecher nach Taiwan brachte, wo einer seiner größten Handelspartner seinen Sitz hatte.
Am letzten Tag streiften wir noch ein bisschen über das Gelände, als mir ein Stand auffiel, der Schuhe verkaufte. Die meisten Teile, die man dort ausgestellt hatte, waren nicht der Rede wert. Aber es gab auch ein Modell, das ich in dieser Form so noch nie zuvor gesehen hatte.
Zuerst mal bemerkte ich, dass die Dingerchen federleicht waren, weil sie aus reinem Leinen bestanden. Die Sohle war nicht aus Gummi oder Leder wie sonst üblich, sondern aus gepressten Pflanzenfasern. Das Beste war: Es gab sie in allen erdenklichen Farben. Der Verkäufer erklärte uns, dass es sich um »Espadrilles« handelt, einen traditionellen Sommerschuh, der eigentlich aus Spanien stammte und den die cleveren Chinesen schon kopiert hatten, bevor die Teile bei uns in Mitteleuropa überhaupt bekannt wurden.
Wir fragten nach dem Preis. Ein Paar sollte knapp achtzig Pfennig kosten. Allerdings nur bei einer Abnahme von hundertzwanzigtausend Stück. Das war natürlich ein Brett! Mein Vater und ich sahen uns an. Wir berieten uns kurz, waren uns aber schnell einig: Das hatte zwar mit Schaustellerbedarf nix zu tun. Doch mit den Schlappen ließ sich ganz sicher im nächsten Sommer ein gutes Geschäft machen. Wir handelten den Händler auf sechzig Pfennig runter und bestellten hundertzwanzigtausend Paare – in den fünf Farben Schwarz, Weiß, Gelb, Pink, Rot und natürlich in verschiedenen Größen, für Damen und Herren. Und weil es gerade so gut lief, bestellten wir auch noch eine Ladung von
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