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Von Ratlosen und Löwenherzen

Von Ratlosen und Löwenherzen

Titel: Von Ratlosen und Löwenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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erniedrigenden, fünfjährigen Waffenstillstand mit Philip Auguste einlassen und ihm, so wurde gemunkelt, 40 000 Pfund Reparationen zahlen.
    Am 13. Oktober kam ein sehr zurechtgestutzter und miserabel gelaunter König John zurück nach England. Und es sah finster für ihn aus: Der Feldzug, der seine murrenden Untertanen in Begeisterung und Triumph hinter ihm hatte vereinensollen, war ein peinliches Fiasko geworden. Der Kompromiss mit dem Papst hatte ihn gezwungen, all seine vertriebenen und geflohenen Feinde zurück nach England zu holen, die jetzt dort saßen und sich die Hände rieben und nur darauf warteten, ihm das Messer in den Rücken zu stoßen. Sie machten gemeinsame Sache mit Llywelyn in Wales, und John war so abgebrannt, dass er praktisch nichts mehr unternehmen konnte.
    Schon wieder eine Sondersteuer zu erheben war so ziemlich das Dämlichste, was er in der Situation tun konnte. Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, und Anfang 1215 erhoben die Barone sich in offener Rebellion gegen König John. Als er sie im Januar nach London bestellte, wo sie ihre Beschwerden vortragen sollten, kamen sie bis an die Zähne bewaffnet. Sie waren endlich klüger geworden.
    Beide Seiten bereiteten sich auf einen Bürgerkrieg vor.
    Im März erklärte John, er wolle auf einen Kreuzzug gehen, was keineswegs seine Absicht war, aber es hatte zur Folge, dass der Papst die aufständischen Barone »schlimmer als die Sarazenen« nannte. Die zeigten sich jedoch wenig beeindruckt, denn sie hatten die Unterstützung des Erzbischofs von Canterbury und des Bischofs von Hereford. (Dessen Name war Briouze, und seine Mutter und sein Bruder waren in einem von Johns Verliesen verhungert.)
    Nachdem der König ein vereinbartes Treffen in Northampton sausen ließ, kündigten die Barone ihm am 5. Mai offiziell die Gefolgschaft. Verzweifelt auf der Suche nach Verbündeten, gewährte der König der Stadt London am 9. Mai das Recht, ihren Bürgermeister selbst zu wählen, aber London – immer für eine Überraschung gut – öffnete den Rebellen am 17. die Tore. Unterdessen eroberte Llywelyn mit Unterstützung der Briouzes auch noch den Rest von Wales, überquerte die Grenze und marschierte in Shrewsbury ein.
    John hatte nichts mehr in der Hand und musste klein beigeben. Am 15. Juni begab er sich nach Runnymede und unterzeichneteeine »Charta Libertatum« (Freiheitsurkunde), welche die gegenseitigen Rechte und Pflichten von König und Adel festschrieb und aufgrund ihrer Länge die »Magna Charta« genannt wurde. Aber nicht nur quantitativ war dies ein »großes« Dokument, denn es umfasste mehr als nur die Privilegien des Adels. Es beschrieb auch die Rechte »aller freien Männer des Königreichs« und legte fest, für welche Steuern und für welche richterlichen Entscheidungen der König die Zustimmung der geistlichen und weltlichen Lords benötigte. Und das war die Geburtsstunde des englischen Parlaments.
    Magna Charta – die Mutter der englischen Verfassung. Urkunde von 1215
    Aber John blieb John, und darum änderte sich mit der Unterzeichnung der »Magna Charta« nicht viel. Er ließ sie vom Papst widerrufen, und der Bürgerkrieg brach doch noch aus. Dank seiner Burgen und der Unterstützung einiger weniger Lords konnte John sogar ein paar Erfolge verbuchen und isolierte die Rebellen schließlich in London. Die schickten dem französischen Thronfolger Louis einen Boten, erinnerten ihn daran, dass seine Frau doch eine Enkelin Henrys II. sei, undboten ihm die englische Krone an. Das kam Louis gerade recht, denn er war ein kriegslustiger junger Ritter. Er behauptete, John habe seine Krone durch den Mord an seinem Neffen verwirkt – der junge Arthur war in Frankreich nämlich noch nicht vergessen –, und setzte im Mai 1216 gegen das ausdrückliche Verbot des Papstes mit 7000 Mann nach England über. Derweil fiel der neue, junge König Alexander von Schottland in Nordengland ein, und Llywelyn der Große saß mit einem zufriedenen, vermutlich etwas hämischen Lächeln in Wales.
    John hastete mit den letzten Getreuen von einem Brandherd zum nächsten. Er erreichte zwar nichts, richtete aber unter der einfachen Bevölkerung noch das eine oder andere Blutbad an. Am 9. Oktober erkrankte er plötzlich an heftigen Durchfällen (hervorgerufen durch seine maßlose Völlerei, behauptete ein wenig mitfühlender Chronist). John schaffte es noch nach Newark, das fest in der Hand der Königstreuen war, wo er in der Nacht vom 18. auf den 19.

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