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Von Ratlosen und Löwenherzen

Von Ratlosen und Löwenherzen

Titel: Von Ratlosen und Löwenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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müssen, und der brachte ihn zu der Überzeugung, dass er hier doch eigentlich gar nichts verloren hatte. Jedenfalls ließ der französische Prinz sich seinen Abzug noch mit einem fetten Schmiergeld versüßen und segelte dann nach Hause (um dort 1223 seinen Vater, Philip Auguste, zu beerben und als Louis »der Heilige« in die Geschichte einzugehen).
    Im Vertrag von Kingston wurde den aufständischen Baronen Straffreiheit garantiert, und alles hätte sich in Wohlgefallen auflösen können, wäre Henry ein anderer König gewesen.
    So aber wurde der Frieden von 1217 nur eine Atempause für alle Beteiligten.
    Es waren vor allem zwei Eigenschaften, die Henry zu einem wenig erfolgreichen König machten: Zum einen war er nicht der Allerhellste. Im Gegenteil kann man wohl sagen, er war von sehr schlichtem Gemüt. Und zum anderen war Henry sein Leben lang auf der Suche nach einer Vaterfigur, nach jemandem, auf den er bauen und sich blind verlassen konnte. Das ist ja auch kein Wunder, wenn man bedenkt, dass sein Vater ein Monstrum war und dann auch noch so früh starb. Jedenfalls war Henrys Sehnsucht nach einem Vaterersatz, der ihn beschützte und ihm den Weg wies, so groß, dass sie viele seiner Entscheidungen prägte und regelmäßig dazu führte, dass er auf genau die falschen Männer setzte.
    Solange er noch klein war, fiel diese Wesensart, die man bei einem mittelalterlichen König eine Schwäche nennen muss, nicht ins Gewicht. Doch als Henry sich 1227 für mündig erklärte und verkündete, er wolle fortan eigenverantwortlich regieren, ließen die Probleme nicht lange auf sich warten. Denn »mündig« wurde Henry nie.
    1219 war der weise alte William Marshall gestorben, und 1232 wurde die zweite Stütze der Regierung, Hubert de Burgh, durch eine Intrige entmachtet. Henry setzte nun all sein Vertrauen in den Bischof von Winchester, einen Franzosen namens Peter des Roches, der viele seiner Landsleute nach England holte und mit lukrativen Pöstchen versorgte. Als Henry 1236 Eleanor von der Provence, die Schwester der französischen Königin, heiratete, wurde es noch schlimmer, denn auch ihr folgten jede Menge Franzosen nach England, um dort ihr Glück zu machen, Ländereien und königliche Gunst zu gewinnen.
    Ist das zu fassen?, fragten sich die englischen Barone entrüstet. Was glaubt Henry eigentlich, wozu wir uns die »Magna Charta« ausgedacht haben? Sie misstrauten all den Ausländern und der Heimlichkeit, in welcher König Henry mit ihnen zusammen hinter verschlossenen Türen regierte, und sie fühlten sich verdrängt. Denn sie waren es doch, die die Ratgeber des Königs hätten sein sollen. Wieder einmal gärte es unter den Lords.
    Nach guter alter Tradition beschloss Henry, sein Volk hinter sich zu einen, indem er es in einen glorreichen Krieg führte. Das war ein Prinzip, das sich bei seinen Vorfahren schon oft bewährt hatte, aber im Gegensatz zu seinen Vorfahren war Henry ein jämmerlich schlechter Kommandant, obendrein ein unsportlicher, dicklicher, lächerlicher Ritter. Er unternahm ein paar halbherzige Versuche, seinem Schwager Louis die Gebiete in Frankreich zu entreißen, die sein Vater verspielt hatte, aber am Ende musste er einen Vertrag unterschreiben, mit dem er jeden Anspruch auf die Normandie, Maine und Anjou aufgab. Alles blieb beim Alten: Er behielt Rest-Aquitanien, musste Louis dafür aber einen Lehnseid leisten.
    Super, fanden die Barone. Echt super.
    Na ja, dachte sich Henry, wenn es mit Frankreich nicht klappt, dann nehm ich eben das Kreuz und versuch mal, Jerusalem zurückzuerobern. Da hatte der Papst eine Idee: Du musst gar nicht so weit reisen, um einen heiligen Krieg zu führen, erklärte er Henry. Erobere doch Sizilien für mich und entreiße es den teuflischen Staufern. Wird gemacht, Heiliger Vater, stimmte Henry eilfertig zu. Vielleicht weil er in Papst Innozenz eine Vaterfigur sah. Oder weil er es gern bequem hatte und nicht erpicht auf die beschwerliche Reise ins Heilige Land war. Wozu auch, wenn er seine Seele und die Christenheit ebenso gut in Sizilien retten konnte?
    Der Sizilienfeldzug wurde jedenfalls eine Katastrophe, und das Ende vom Lied war, dass der Papst von Henry 135 000 Mark Silber zurückforderte, die er angeblich in dieses Fiasko investiert hatte.
    Jetzt langt’s, entschieden die Barone. Und sie schlossen sich hinter Simon of Montfort, dem Earl of Leicester, zusammen, um ihrem König wieder einmal zu zeigen, dass er ohne seinen Adel nicht regieren konnte. (Für die

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