Von Ratlosen und Löwenherzen
einzufallen. Der schottische König William war alt und krank und berechtigterweise in Sorge um die Geiseln, die er John überlassen hatte. Er unterwarf sich dem König von England und erkannte dessen Oberhoheit an.
1210 segelte John mit einer wahren Armada von 700 Schiffen nach Irland. Er brachte nicht viel zustande, außer Angst und Schrecken zu verbreiten, aber bei der Gelegenheit fielen ihm die Frau und der älteste Sohn eines Lords namens William de Briouze in die Hände, die er einsperren und verhungern ließ. Na und, entgegnete er auf die allgemeine Empörung, de Briouze schuldete mir eine Menge Geld. Die übrigen englischen Lords fanden diese Rechtfertigung wenig beruhigend, denn durch Johns kreative Besteuerungspolitik schuldeten sie ihm irgendwie alle eine Menge Geld.1211 schließlich fiel John in Wales ein, dessen Nordhälfte unter der Herrschaft eines sehr klugen, mächtigen Mannes namens Llywelyn ab Iorwerth stand, den die Waliser Llywelyn den Großen nannten und nennen. 1205 hatte John ihm seine uneheliche Tochter Joan zur Frau gegeben – nach dem Motto, »umschleime, wen du nicht unterwerfen kannst« –, aber sechs Jahre später hatten Johns (Schein-)erfolge in Schottland und Irland den englischen König selbstbewusst gemacht, und es hatte sich ausgeschleimt. John stieß weiter nach Wales vor als jeder andere englische König vor ihm und zwang Llywelyn, sich ihm zu unterwerfen und ihm neben vielen anderen auch seinen eigenen Sohn als Geisel zu geben.
Hochzufrieden und mit stolzgeschwellter Brust wollte John sich nun endlich Frankreich und seinem verlorenen Eigentum dort zuwenden, aber schon 1212 erhoben sich die Waliser, und auch unter den englischen Lords wurde lauter gemurrt als zuvor, vor allem im Norden. John versammelte die Truppen, die er eigentlich nach Frankreich hatte führen wollen, in Chester, um sich des walisischen Problems anzunehmen, aber er richtete nichts aus. Llywelyn der Große gewann den Löwenanteil seines Herrschaftsgebietes zurück. Am 14. August ließ John in Nottingham achtundzwanzig der walisischen Geiseln aufhängen. Manche der Gehenkten waren nicht älter als zwölf. (Wenn Sie mal nach Nottingham Castle kommen, wird man Ihnen dort erzählen, dass seit jenem Tag ein Fluch auf dem alten Gemäuer lastet und man das erbarmungswürdige Flehen um Gnade der kleinen Geiseln bis heute Nacht um Nacht hören kann.) Doch auch diese Gräueltat machte die Waliser nicht zahm, im Gegenteil. Am selben Tag erfuhr John von einem Mordkomplott gegen seine königliche Person und von der Flucht zweier seiner mächtigsten Lords zu Philip Auguste. Peter of Wakefield, ein populärer Prediger, prophezeite mit unverhohlener Schadenfreude das baldige Ende seiner Herrschaft.
Irgendwie lief auf einmal alles schief, und John erkannte, dass er dringend etwas unternehmen musste. Er begann Verhandlungenmit Papst Innozenz, und im Frühling 1213 »schenkte« er ihm England und erhielt es als päpstliches Lehen zurück (so wie sein Bruder Richard es schon mal mit dem deutschen Kaiser gemacht hatte, was offenbar allen entfallen war). Das war ein diplomatischer Geniestreich, denn es hieß nicht nur, dass die Exkommunizierung und das Interdikt aufgehoben wurden, sondern John hatte mit dem Papst auf einmal einen sehr mächtigen Verbündeten hinter sich. Hochzufrieden beging er am 27. Mai sein Krönungsjubiläum, und zur Feier des Tages ließ er den Prediger Peter of Wakefield, der ihn öffentlich verhöhnt hatte, und dessen Sohn aufhängen.
Dann wollte er sich endlich Frankreich zuwenden und plante einen Feldzug zur Rückeroberung der Normandie, Anjous et cetera, et cetera, aber die englischen Lords – jetzt auch immer häufiger »Barone« genannt – weigerten sich, mit ihm in den Krieg zu ziehen. Sie hatten die Nase gestrichen voll von John und seinen Verbrechermethoden.
John wollte die Unwilligen natürlich auf der Stelle aufhängen lassen, aber Stephen Langton, der Erzbischof von Canterbury, den Papst Innozenz ihm aufs Auge gedrückt hatte, schritt ein und erinnerte John an seine guten Vorsätze. Die unwilligen Barone wurden geschont und knüpften ein Band mit dem Erzbischof von Canterbury, über das John noch stolpern und sich mächtig auf die Nase legen sollte.
Im Februar 1214 setzte John mit seiner Armee nach La Rochelle über und begann einen plan- und erfolglosen Feldzug, der mit einer vernichtenden Niederlage in der Schlacht von Bouvines am 27. Juli endete. John musste sich auf einen
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