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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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waren, aus dem Gros d'Armée des Tunnels, vorzugsweise Lepel, Eggers, Hesekiel und ich, denen Schneiders Wohlwollen zugute kam. Aber was bedeuteten diese Guttaten neben all dem Auszeichnenden, Schmeichelhaften und Fördernden, was durch die bei Hofe stattfindenden Schneider-Vorlesungen unsrem großen Armeekommandierenden, unsrem
Scherenberg
zuteil wurde. Daß dieser von dem Tag an, wo sein »Ligny« zur Kenntnis des Königs kam, durch ein Menschenalter hin, Sorgen entrückt, seiner Dichtung und seiner Philosophie leben konnte, war zunächst ausschließlich Schneiders Verdienst. Allerdings kamen die später unserem Tunnel-Dichter zuteil werdenden direkten Hülfen von anderer Seite her, aber
der,
der den Boden für all dies kommende Gute vorbereitet hatte, das war und blieb doch Schneider. Er hatte ganz allmählich bei Hofe den Glauben entstehen lassen: »Hier haben wir endlich ein großes Talent, einen richtigen patriotischen Dichter«, und erst nachdem dieser Glaube geschaffen war, war auch von anderer Seite her Unterstützung und Hülfe möglich. In den dem achtzehnten März unmittelbar voraufgehenden und unmittelbar folgenden Zeiten war auch niemand unter uns, der dies nicht willig anerkannt und mit herzlichem Dank für Schneider erwidert hätte. Später aber, um die Mitte der fünfziger Jahre herum, änderte sich's, und wenn schon vorher die kleineren Schneiderschen Tunnel-Wohltaten einer Kritik unterzogen worden waren, so geschah jetzt ein Gleiches auch im Hinblick auf das, was er für Scherenberg getan. »Was ist es denn?« so hieß es. »Gar nichts. Er hat sich einen Dienst geleistet, hat
sich
beim Könige lieb Kind gemacht,
sich
vor den Potsdamer Offizieren als Kunstmäzen ausgespielt. Lächerlich genug. Wir wiederholen dir, allen persönlichen Vorteil hat er gehabt und dabei seiner Eitelkeit Zucker gegeben. Und dann hat er dich seinem Buchhändler Hayn, diesem Intelligenzblatt-Verleger, zugeführt und ›Freund Hayn‹, bei dem man Intelligenz und Intelligenzblatt unterscheiden muß, hat ein Bombengeschäft mit dir gemacht und ziert sich nun in der Welt als Literaturvater herum, während er doch bloß ein Weißbierphilister ist mit einer Pontacnase. Quäle dich doch nicht mit Dankbarkeit. Er muß
dir
dankbar sein. Wenn du zusammenrechnest, was dieser Louis Schneider, dieser sogenannte Edelmutsmensch, aus allen Königs-und Prinzenkassen für dich herausgeschüttelt hat, so kommt noch keine Jahresmiete heraus, trotzdem du, Gott weiß es, billig genug wohnst.« In diesem Tone klang das Lied, das Franz Duncker, Widmann, Orelli nicht müde wurden zu singen, und ein Stückchen Wahrheit war ja drin. Aber die, die so redeten, waren auch nicht anders, und was sie samt und sonders mit so viel Spott und Bitterkeit gegen Schneider auftreten ließ, das war alles nur
politische
Gegnerschaft, Parteihaß. Man haßte den »an Rußland verkauften« Schneider und wollte, was in einem gewissen Zusammenhange damit stand, im Publikum den Gedanken nicht aufkommen lassen, daß Scherenberg ein
patriotischer
Dichter sei; Scherenberg sollte vielmehr, nach dem Willen vorgenannter Herren, durchaus ein Volksdichter sein, ein 1813-Verherrlicher, wo das Volk und die
Landwehr
alles gemacht hätten. »Das stünde auch klar auf jeder Seite seiner Dichtungen, wenn man sie nur richtig läse; die Reaktion treibe bloß Mißbrauch mit ihm, und man müsse ihn retten vor dieser Vergewaltigung.« In der Tat, es war ein beständiges Hin-und Herzerren mit unserem Tunnel-Dichter; heute hatten ihn die Patrioten, morgen hatten ihn die Fortschrittler. Der arme Scherenberg! Er war in derselben Verlegenheit wie der Pfalz- und Rheingraf in Bürgers »Wildem Jäger« und wußte nicht, ob er sich nach links oder nach rechts hin halten sollte. Mit der ganzen Geschicklichkeit eines Pommern und Balten hat er sich aber schließlich immer geschickt durchgewunden und ist als Freund »von links und rechts« gestorben, ohne je der Zweideutigkeit bezichtigt worden zu sein. Der Glückliche!
    Schneider, während im Tunnel, in »
seinem Tunnel
«, dieser Aufruhr tobte, saß all die Zeit über ruhig in seinem Potsdamer Heim und lächelte, wenn er von dem Sturm im Glase Wasser hörte. Was aber das Beste war, er ließ diesen Abfall von ihm niemand im Tunnel entgelten und zeigte sich, was immer aufs neue gesagt werden muß, auch darin wieder uns allen überlegen, vor allem auch überlegen in Gesinnung. Wirklich, er gehörte zu den bestverketzerten Personen, die mir in meinem

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