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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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russischen Botschaftshotel holte und daß der Herr dieses Hauses, Baron Meyendorf, auf Beamtentum und Gesellschaft der preußischen Hauptstadt seinerzeit Einflüsse geübt hat, wie russische Minister sie, seit den letzten Tagen der Königlichen Republik Polen, in fremden Ländern nicht mehr besessen hatten.«
    So die Schrift »Berlin und St. Petersburg«, deren Verfasser sicherlich von dem stolzen Gefühl erfüllt gewesen ist, einen »Unwürdigen« gewürdigt zu haben. Er hat auch wirklich, was in einer Parteischrift etwas sagen will, in nichts übertrieben. Ja, so war Schneider; ich kann es bestätigen. Aber ist dies so etwas Furchtbares? Eher das Gegenteil. Eine Schilderung wie die hier von Schneider gegebene paßte bis 1840 – und dann neubelebt auch wieder von 48 ab – auf Hunderttausende, darunter Prinzen des Königlichen Hauses, die, was immer ihre Fehler sein mochten, wenigstens den
einen
Fehler nicht hatten, unpatriotisch zu sein. Ihr Patriotismus forderte, wie das auch das obige Broschürenzitat ausspricht, ein Zusammengehn mit Rußland. Ja, warum nicht? Es ist, wenn man dieser Frage nähertreten will, durchaus nötig, sich in die Zeiten der Heiligen Allianz und der dieser Allianz unmittelbar vorausgehenden Kriegsjahre zurückzuversetzen. Rußland hatte uns gerettet, bei Existenz erhalten. Nicht bloß von Anno 6 bis 12, auch noch 13 und 14. Unerträglich ist es, immer noch in so vielen Büchern und Artikeln der naiven Vorstellung zu begegnen, als habe die Provinz Ostpreußen oder das Yorksche Korps oder die pommersche Landwehr den Kaiser Napoleon besiegt. Durch dies unnatürliche Heraufpuffen hat man – von dem Häßlichen der Unwahrheit ganz abgesehn – nur Ärgerlichkeiten und Torheiten geschaffen, die sich später gerächt haben. Es war nicht so, wie's in den Klippschulen vorgetragen wird. Die Macht der beiden Kaiserstaaten, Rußland und Österreich, so wenig enthusiastisch sie vorgingen, hatte doch schließlich den Ausschlag gegeben,
nicht
der Todesmut Preußens, der diesem, in allem übrigen, ein unbestrittener Ruhmestitel bleibt. Und nun kam der Friede, Nikolaus wurde »Schwiegersohn«, und durch ein Menschenalter hin hatten wir eine Verbrüderung mit Rußland. Wer jene Zeit noch miterlebt hat, weiß, daß das ganze offizielle Preußen und noch viel, viel mehr das ganze preußische Volk der alten Provinzen, der »
Berliner
« obenan, an dieser fraternité teilnahm; es war ein Jubel, wenn Kaiser Nikolaus kam, er gehörte mit zur »Familie«, und Geschichten und Anekdoten, die von seiner Anhänglichkeit und Liebe sprachen, drängten und mehrten sich beständig, wobei Betrachtungen darüber, »ob das alles
politisch
vielleicht ein Fehler sei«, von sehr wenigen angestellt wurden. Gewiß gab es eine Minorität, die mit ihrem Fühlen und Denken entgegengesetzte Wege ging, aber all das durfte meiner Meinung nach diese Minorität doch nicht abhalten, hunderttausend anderen ein Recht auf Rußlandschwärmerei zuzugestehen, eine Schwärmerei, zu der, wenn man von der Frage der Freiheitlichkeit absieht, zahlloseste Gründe vorhanden waren: Anhänglichkeit an das eigene Herrscherhaus, Liebe zu einem patriarchalischen König, wie er in reinerer Gestalt nie dagewesen ist, Dankbarkeit, politischer Vorteil – weil (zunächst wenigstens) politische Sicherheit – und nicht zuletzt ein bestimmtes und berechtigtes Prinzip. Dies muß ich ganz besonders betonen. Denn so gewiß ich, meinen Empfindungen und meiner Erkenntnis nach, alles Heil in der Freiheit sehe, so ist auch
diese
Frage, wie jede andere, nicht derartig abgetan, daß die entgegengesetzte Anschauung bloß Unsinn und Verbrechen wäre. Gott sei Dank, daß wir das Russische los sind, nicht mehr im Schlepptau fahren; aber ich kann mich über
die
nicht entrüsten, die vordem an Kaiser Nikolaus gehangen haben. Mit der sehr gefährlichen Anschauung muß, mein' ich, gebrochen werden, daß jeder Freiheitsschwärmer ein Ideal und jeder Kaiser- Nikolaus-Schwärmer ein Schufterle sei. Frankreich ist jetzt Republik und drängt sich huldigend an die russische Seite. Was über den Menschen entscheidet, ist seine Gesinnung, Ehrlichkeit der Überzeugungen. Und
die
hatte Louis Schneider, auch wenn er hundert Tabatièren empfangen haben sollte. Daß »ehrliche Manieren« – in denen Schneider, beiläufig, exzellierte – täuschen können, weiß ich; die Welt wimmelt von faux bonhommes. Was aber
nicht
täuschen kann, ist ein langes Leben, das sich dem Beobachter als aus

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