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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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thronte. Dieses Zepter war eine Art Heiligtum, aber ihm an Ansehen gleich oder fast noch überlegen war ein anderes Stück aus dem Tunnel-Krontresor: der »Stiefelknecht«, der, ich weiß nicht wie motiviert, die »unendliche Wehmut« oder den Weltschmerz symbolisieren sollte. Wie gesagt, so war es anfangs. Als man schließlich wahrnahm, daß die Tragkraft dieses Witzes nicht sehr bedeutend sei, kam der Stiefelknecht kaum noch zum Vorschein, ausgenommen bei ganz feierlichen Gelegenheiten, wo man der Ansicht sein mochte, daß er, wie ein alter Urgötze, gerade wegen seiner Unsinnigkeit anzurufen sei.
    Natürlich waren auch »Statuten« da, deren Paragraphen mir übrigens nicht mehr gegenwärtig sind, zwei abgerechnet, beide gleich klug und weise. Der eine schrieb vor, daß jedes Tunnel-Mitglied einen Necknamen, einen Nom de guerre, haben müsse, der andere verbot jede politische Debatte. Beide Paragraphen haben sich durch volle fünfzig Jahre hin, von 1827 bis 1877 – von wo ab die Lebenskraft des Tunnels so gut wie verzehrt war – glänzend bewährt. Zunächst die besondere Namensgebung.
Ohne
diese wäre es überhaupt nicht gegangen, was sich aus der verschiedenen Lebensstellung der Mitglieder, von denen – wenigstens in den späteren Tunnel-Perioden – der eine General, der andere Fähnrich, der eine Minister, der andere Handlungsgehülfe war, leicht ergibt. Major Blesson, damals ein Sechziger, hieß Carnot, Leutnant von Etzel, damals zwanzig, hieß Xenophon. Als zwanzigjähriger Leutnant von Etzel war er dem sechzigjährigen Major Blesson gegenüber in einer höchst schwierigen Lage, als Xenophon aber konnte er Carnot, »dem Organisator des Krieges«, sagen, was er wollte. – Mit dem Verbot der Politik lag es ebenso. Wie hätte sonst Minister von Mühler mit dem Kladderadatsch-Löwenstein auskommen wollen.
    Der Tunnel, was nicht gleichgültig war und deshalb hier erwähnt werden mag, besaß auch ein nicht unbeträchtliches Vermögen, das sich aus den von jedem Mitgliede zu zahlenden Beiträgen angesammelt hatte. Louis Schneider, in allem ein Praktikus, legte der Existenz eines solchen Vermögens ein großes Gewicht bei und bezeichnete dasselbe als den »Reifen, der die Dauben des Fasses, wenn diese jemals Lust hätten, auseinanderzufallen, immer wieder zusammenhalten würde«. Das hat sich denn auch durch ein halbes Jahrhundert hin bewährt. Erst etwa vom Jahre 1880 an begann, trotz aller von Schneider getroffenen Vorkehrungen, ein Auseinanderfallen, und der Tunnel wurde Sage; dann verklang auch die. Was inzwischen aus dem ganzen Besitzstande, darunter auch Bibliothek und Archiv, geworden ist, weiß ich nicht. Dann und wann verlautet, »es gäbe noch einen ›Tunnel‹, der denn auch nach wie vor der Hüter all dieser Schätze sei«. Doch tritt er, wenn sein Dasein sich bestätigt, in vielleicht zu weitgehender Bescheidenheit, nie hervor.
    Jede Sitzung wurde durch ein dreimaliges Aufstampfen mit dem Eulenzepter eröffnet, dann stellte das »Haupt« das Zeichen seiner Macht beiseite, und rechts den Schriftführer, links den Kassierer, bat er ersteren um Vorlesung des Protokolls der vorigen Sitzung. Diese Protokolle waren im richtigen Tunnel-Jargon abgefaßt und oft sehr witzig. Die weitaus besten waren die von Wilhelm von Merckel, weshalb dieser, mit kurzen Unterbrechungen, wohl durch länger als zwei Jahrzehnte hin immer wieder zum Schriftführer gewählt wurde. Merckel lebte ganz in diesen Dingen und blieb dadurch bis an seinen Tod eine Hauptstütze des Vereins. Dann und wann wurde das Protokoll auch beanstandet. Aber dies mußte durch einen Mann von Geist geschehen, nahm sich's ein anderer heraus, so ließ man ihn abfallen.
    War das Protokoll erledigt, so stellte das Haupt die Frage: »Späne da?« Darunter verstand man die zum Vortrag bestimmten Beiträge – meist Gedichte –, von denen jeder Beitrag schon vor Beginn der Sitzung entweder auf den Tisch des Hauses niedergelegt oder beim Schriftführer wenigstens angemeldet sein mußte. Wurde die Anfrage: »Sind Späne da?« bejaht, so stellte das Haupt die Reihenfolge für deren Vorlesung fest, und der Verfasser placierte sich nun an ein mit zwei Lichtern besetztes Tischchen, von dem aus der Vortrag stattzufinden hatte. Selten wurde gleich Beifall oder überhaupt ein Urteil laut. Das Gewöhnliche war, daß man in Schweigen verharrte. »Da sich niemand zum Wort meldet, so bitte ich Platen, seine Meinung sagen zu wollen.« Und nun sprach Platen (Hauptmann W.

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