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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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auch schon vorher, als ich einen Ehrenbecher, ein wahres Monstrum von Häßlichkeit – ich besitze ihn noch – einheimste, mischten sich in meine Siegesfreude sehr widerstrebende Gefühle. Wer damals im Tunnel konkurrieren wollte, mußte seinen Beitrag anonym abliefern und hatte nur das Recht, auf einem beigelegten Zettel
den zu
verzeichnen, der sein Gedicht in öffentlicher Sitzung vorlesen sollte. Die besten Kräfte – wie sich später, nachdem die Namen bekanntgegeben wurden, herausstellte – hatten an dieser Konkurrenz teilgenommen: Eggers, Broemel (später in London), Kugler, Lepel, Heyse. Das Zünglein der Waage schwankte zwischen dem »Tag von Hemmingstedt« und dem »Tal des Espingo«, und »Hemmingstedt«, von mir herrührend, siegte schließlich. Das »Tal des Espingo« war von Heyse. Die Partei Heyse, zu der vor allem Kugler gehörte, verriet über diesen Ausgang keine Spur von Verstimmung, was ich schon damals bewunderte. Kontenance bewahren, wenn einen, wie dies bei jeder Lotterie der Fall ist, der blinde Zufall im Stich läßt, ist nicht allzu schwer; aber auch
da
nicht Empfindlichkeit zeigen, wo man seinen Anspruch auf Sieg beinahe beweisen kann, das vermag nicht jeder. Es steht mir jetzt fest, daß das »Tal des Espingo« das durchaus bessere Gedicht war, und auch damals schon regte sich etwas von dieser Erkenntnis in mir.
     
Zweites Kapitel
     
Mein Eintritt in den Tunnel. Graf Moritz Strachwitz
    In diese vorgeschilderte Gesellschaft – Tunnel – trat ich, wie schon am Schluß des vorigen Abschnitts hervorgehoben, im Mai 1844 ein, wenige Wochen nach Beginn meiner Dienstzeit im Franz-Regiment. Bernhard von Lepel, schon längere Zeit Mitglied des Vereins, hatte mich in Vorschlag gebracht und die zur Aufnahme nötigen »Referenzen« gegeben. Ich wurde sehr freundlich begrüßt, erhielt meinen Tunnelnamen –
Lafontaine
– und hätte durchaus zufrieden sein können, wenn ich nur mit dem, was ich dichterisch zum besten gab, mehr oder doch wenigstens einen Erfolg gehabt hätte. Das wollte mir aber nicht gelingen. Meine ganze Lyrik, nicht viel anders wie während meiner voraufgegangenen Leipziger Tage, war, auch zu jener Zeit noch, auf Freiheit gestimmt oder streifte wenigstens das Freiheitliche, woran der Tunnel, der in solchen Dingen mit sich reden ließ, an und für sich nicht ernsten Anstoß nahm, aber doch mit Recht bemerkte, daß ich den Ton nicht recht träfe. »Sehen Sie,« hieß es eines Tages, »da ist der Rudolf Löwenstein; der schreibt auch dergleichen, aber doch wie ganz anders! « Das »Wie ganz anders« bezog sich besonders auf Löwensteins berühmt gewordenes Lied »Freifrau von Droste-Vischering«, das, als er es im Tunnel vorlas, einen ungeheuren Jubel hervorgerufen hatte, trotzdem, wie schon hervorgehoben, »Politisches« eigentlich verboten war.
    Es ging mir also anfangs nicht allzu gut. Ganz allmählich aber fand ich mich zu Stoffen heran, die zum Tunnel sowohl wie zu mir selber besser paßten als das »Herweghsche«, für das ich bis dahin auf Kosten andrer Tendenzen und Ziele geschwärmt hatte. Dies für mich Bessere war der Geschichte, besonders der brandenburgischen, entlehnt, und eines Tages erschien ich mit einem Gedicht »Der Alte Derfflinger«, das nicht bloß einschlug, sondern mich für die Zukunft etablierte. Heinrich von Mühler, damals noch ein ziemlich regelmäßiger Besucher des Tunnels, sagte mir das denkbar Schmeichelhafteste, wiederholte sogar Stellen, die sich ihm gleich eingeprägt hatten, und blieb mir, von Stund' an, durch alle Wandlungen hin zugetan. Ich ließ alsbald diesem »Alten Derfflinger« eine ganze Reihe verwandter patriotischer Dichtungen im Volksliedton folgen und erzielte mit einem derselben, dem »Alten Zieten«, eine Zustimmung – auch im Publikum –, die weit über die bis dahin gehabten Erfolge hinausging. Ich glaube aber doch, daß der »Alte Derfflinger«, der den Reigen eröffnete, gelungener ist als der »Alte Zieten« und all die übrigen. Der erste Wurf ist immer der beste.
    Diese patriotischen Gedichte fielen in das Jahr 1846. Zwei Jahre später sorgten die Zeitereignisse, bei mir wenigstens, für einen kleinen Rückfall in das schon überwunden geglaubte »Freiheitliche«, doch war der dabei von mir angestimmte Ton ein sehr andrer geworden. Alles Bombastische war abgestreift und an die Stelle davon ein übermütiger Bummelton getreten. Eins dieser Gedichte, darin ich meine Braut zur Auswandrung nach Südamerika – natürlich

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