Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Pulswärmer, Socken, Leibbinden, Jacken ohne Ärmel – und dann in einem andern Paket wieder die Ärmel dazu – postzulässig in die Welt zu schicken, bis zur Virtuosität ausgebildet. Er hat zahllose glückliche Stunden geschaffen. Am Polytechnikum schwärmt man noch für ihn und gedenkt seiner bei jeder Festlichkeit mit einer besonderen und wohlverdienten Liebe. Nichts wüßt' ich von ihm zu sagen, was ihn so sehr und so schön charakterisierte wie diese humane Haltung, und genauso, natürlich mutatis mutandis, war er auch während seiner zweiten Epoche im Tunnel, sowie sich's um ein Fest oder eine Aufführung handelte, die Seele der Sache und wußte jederzeit Rat.
    Sein bester Freund im Tunnel war
Heinrich Seidel,
der in seinem schon an anderer Stelle zitierten reizenden Buche »Von Perlin bis Berlin« in liebevoller und zugleich fein und humoristisch charakterisierender Weise über Eggers geschrieben hat. Ich gebe hier einiges davon: »Friedrich Eggers wohnte damals in einem Hinterhause der Hirschel-, jetzt Königgrätzer Straße, drei Treppen hoch. Ich habe nie einen Mann gekannt, der in aller Welt so viele Freunde gehabt hätte wie er, darunter viele von Klang und Namen: Storm, Wilbrandt, Geibel, Heyse, Scheffel. Mit dem Letztgenannten, der ihm von der Studienzeit her befreundet war, stand er noch immer in Briefwechsel, der sich freilich auf die Schaltjahre beschränkte. Jeden 29. Februar setzten sich beide hin und schrieben einander über die Ereignisse der letzten
vier
Jahre. Das bringt mich auf die vielen drolligen und komischen Züge, die ihm anhafteten. Er haßte die Sperlinge, war überhaupt kein Tierfreund. Höchst merkwürdig war das ökonomische System, nach dem er seine Einnahmen und Ausgaben regelte. Er hatte einen Kasten mit vielen Fächern, die alle mit Überschriften versehen waren, wie zum Beispiel Miete, Kleider, Stiefel, Zigarren – kurz, alle möglichen Lebensbedürfnisse hatten jedes sein besonderes Fach. Im Laufe der Jahre hatte er sich nun vortreffliche Verhältniszahlen ausgebildet, in denen alle diese Bedürfnisse zueinander stehen mußten, und nach diesen Zahlen wurde jede Einnahme in die Fächer verteilt. Betrug also eine Einnahme dreihundert Taler und irgendeine der Sonderkassen war auf fünf Prozent angewiesen, so bekam sie in diesem Falle fünfzehn Taler. Ich habe ihn öfter über diesen Kasten sitzen sehen, grübelnd und mit Geld klimpernd. Zuweilen kam es nun vor, daß beim Bezahlen einer größeren Rechnung der Bestand dieser Kassen nicht ausreichte. Dann pumpte er bei einer besser situierten und gab ihr einen Schuldschein, wie zum Beispiel: ›Die Kleiderkasse schuldet der Stiefelkasse soundsoviel.‹ Die Schuldscheine mußten bei neu fließenden Einnahmen wieder eingelöst werden.
    Er beklagte es oft, daß die Sitten der heutigen Zeit es dem Manne verbieten, farbige Stoffe zu tragen. Er selbst ließ es sich denn auch nicht nehmen, sein farbenfreudiges Auge wenigstens an bunten Westen von Seide, Sammet oder anderen Stoffen zu ergötzen, und besaß davon eine große Sammlung. Hatte einer seiner jüngeren Freunde sich irgendwie ausgezeichnet oder sonst sein Wohlgefallen erregt, so ging er wohl würdevoll an die Kommode, wo diese Sammlung aufbewahrt wurde, kramte ein wenig darin und schenkte ihm feierlichst eine Weste. Das war eine Art von Ordensauszeichnung.«
    So weit H. Seidel. Auch W. Lübke hat in seinen »Erinnerungen« über ihn geschrieben; Wilbrandt hat ihn in seiner reizenden Geschichte »Fridolins heimliche Ehe« frei nach dem Leben gezeichnet.
    Das bis hierher Erzählte beschäftigt sich ausschließlich mit dem Menschen Eggers; er war klug, gütig, liebenswürdig, schöner Mann – wie oft bin ich daraufhin interpelliert worden – und humoristisch angeflogener Sonderling, alles in allem eine durchaus interessante Figur. Was er im übrigen literarisch leistete, verschwand daneben. Und das mußte so sein. Wer sich ein bißchen auf Menschenkunde versteht, weiß, daß so geartete Charaktere wie zum Dilettantismus prädestiniert sind; sie haben so vielerlei zu tun, sind so ganz auf Zerstreuung ihrer Gaben gestellt, daß für das einzelne nicht jenes Maß von Kraft und Muße verbleibt, ohne das etwas Fix und Fertiges nicht entstehen kann. Nichts, was er schuf, war ausgereift, alles hatte den improvisatorischen Charakter. Eine Zeitlang waren wir Konkurrenten; ich erging mich in nordischen und schottisch-englischen Balladen, und weil diese gefielen, erschien er auch mit

Weitere Kostenlose Bücher