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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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gelungen!« sagte ich und holte tief Luft.
    Der Pudel war nicht krank. Ich sollte nur seine Krallen beschneiden. Ich lächelte, als ich ihn auf den Tisch hob und anfing, mit der Zange zu hantieren.
    »Ich nehme an, die hinteren Krallen brauche ich nicht zu beschneiden«, sagte ich im Scherz. »Die läuft er sich ja sicher von allein ab.«
    Doch als ich fertig war, überkam mich wieder bleierne Müdigkeit, und ich hätte umfallen können, als ich den Mann mit dem Hund zur Tür brachte.
    Ich beobachtete, wie das kleine Tier davontrottete, nun auf vier Beinen wie alle anderen Hunde auch, und mir fiel ein, daß es lange her war, seit ich einen Hund etwas Ungewöhnliches, ja Komisches hatte tun sehen.
    Freundliche Erinnerungen stiegen in mir auf, während ich mich müde an den Türpfosten lehnte und die Augen schloß. Als ich sie wieder öffnete, sah ich Brandy mit Mrs. Westby um die Ecke kommen. Seine Nase war vollständig umhüllt von einer roten Tomatensuppendose. Er zerrte wie verrückt an der Leine und wedelte mit dem Schwanz, als er mich sah.
    Dies war nun bestimmt eine Halluzination, sagte ich mir. Ich sah Dinge aus der Vergangenheit! Höchste Zeit, daß ich ins Bett ging. Aber ich stand immer noch an der Tür, als der Labrador die Stufen heraufgesprungen kam. Er machte den Versuch, mir das Gesicht zu lecken, aber die Konservendose hinderte ihn daran. So gab er sich damit zufrieden, sein Bein kämpferisch gegen die oberste Stufe zu stemmen.
    Ich starrte in Mrs. Westbys strahlendes Gesicht. »Was...«
    Ihre blitzenden Augen und das fröhliche Lächeln machten sie noch anziehender. »Sehen Sie, Mr. Herriot, es geht ihm besser! Es geht ihm besser!«
    Im nächsten Augenblick war ich hellwach. »Und ich... ich vermute, Sie wollen mich bitten, ihn von der Dose zu befreien?«
    »Genau. Bitte, helfen Sie ihm.«
    Ich brauchte meine ganze Kraft, um ihn auf den Tisch zu heben. Er war schwerer als vor seiner Krankheit. Ich streckte die Hand nach der Pinzette aus und fing an, den gezackten Rand von der Nase und der Schnauze weg nach außen zu biegen. Tomatensuppe mußte eines seiner Lieblingsgerichte sein, jedenfalls hatte er die Nase so tief in die Dose gedrückt, daß es mich einige Zeit kostete, bevor ich ihm das Blechding von der Schnauze ziehen konnte.
    Ich wehrte den liebevollen Überfall seiner Schlabberzunge ab. »Er geht also wieder seinem alten Hang nach.«
    »Ja, das tut er. Mehrere Dosen habe ich schon selber entfernt. Und er klettert auch wieder auf die Rutsche – mit den Kindern auf dem Spielplatz.« Sie lächelte glücklich.
    Nachdenklich zog ich das Stethoskop aus der Tasche meines weißen Kittels und horchte die Lungen ab. Wunderbar! Hier und da war noch eine kleine Unregelmäßigkeit, aber das fürchterliche Gerassel war verschwunden.
    Ich lehnte mich an den Tisch und betrachtete das große Tier mit einer Mischung aus Dankbarkeit und Ungläubigkeit. Er war wie vorher, ungestüm und voller Lebensfreude. Seine Zunge hing lässig aus der Schnauze, er schien zu lächeln, und die Sonne schien durch das Fenster auf sein schimmerndes goldenes Fell.
    »Sagen Sie, Mr. Herriot –« Mrs. Westby sah mich mit großen Augen an – »wie ist so etwas möglich? Wie kommt es, daß es ihm jetzt wieder besser geht?«
    »Das ist die Heilkraft der Natur. Wenn die Natur sich entschließt zu handeln, kann kein Tierarzt mit ihr konkurrieren.«
    »Aha. Und man kann nie voraussagen, wann das geschieht?«
    »Nein.«
    Ein paar Sekunden lang standen wir still da und streichelten dem Hund den Kopf, die Ohren und das Rückenfell.
    »Übrigens, was ich Sie noch fragen wollte«, sagte ich schließlich. »Zeigt er auch wieder Interesse an Ihren Blue Jeans?«
    »Das kann man wohl sagen! Sie sind gerade in der Waschmaschine. Von oben bis unten verdreckt. Ist das nicht wunderbar?«

Kapitel 20
     
    Was für gräßliche Hunde!
    Das war ein Gedanke, der mir selten in den Kopf kam, denn es gelang mir, an fast all meinen Tierpatienten irgend etwas Liebenswertes zu finden.
    Aber Ruffles und Muffles waren eine Ausnahme. Wie sehr ich mich auch bemühte, ich konnte keine liebenswerten Züge an ihnen feststellen, nur unangenehme – etwa die Art, wie sie mich in ihrem Heim begrüßten.
    »Ab! Ab!« rief ich immer. Die beiden kleinen Tiere, weiße West Highlands, standen auf ihren Hinterbeinen und schlugen mir wütend die Krallen ihrer Vorderpfoten in die Hosenbeine. Ich weiß nicht, ob ich besonders empfindliche Schienbeine habe, aber es tat mir

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