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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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er sich nicht jeden Morgen mit einem Messer im Gesicht herumzufahren, wie er mit einiger Logik erklärte.
    Ich bückte mich und rieb mir meine verletzten Schienbeine. »Mr. Ripley, Ihr Tor da drüben ist glatter Mord! Erinnern Sie sich nicht mehr daran, daß Sie mir das letzte Mal, als ich hier war, in die Hand versprochen haben, Sie würden es reparieren? Sie haben sogar gesagt, Sie würden ein neues anschaffen! Es wäre an der Zeit, finden Sie nicht?«
    »Ja, da haben Sie recht, junger Mann«, sagte Mr. Ripley und nickte. »Das habe ich gesagt. Aber Sie wissen ja, das sind die Kleinigkeiten, die man nie getan kriegt.« Er lachte. Doch als ich das Hosenbein hochzog und eine lange Schramme an meinem Schienbein sichtbar wurde, erschrak er. »Oh, das ist ja eine Schande! Das ändert die Sache natürlich. Jetzt kommt ein neues Tor her, nächste Woche. Das garantiere ich Ihnen!«
    »Aber Mr. Ripley, genau das haben Sie mir auch letztes Mal gesagt, als Sie mein blutendes Knie sahen. Genau das waren Ihre Worte. Sie sagten: Das garantiere ich Ihnen!«
    »Ja, ich weiß, ich weiß.« Der Farmer drückte mit dem Daumen auf den Tabak im Pfeifenkopf und paffte. »Meine Frau liegt mir auch dauernd wegen meines schlechten Gedächtnisses in den Ohren. Aber keine Sorge, Mr. Herriot, diesmal werde ich es nicht vergessen. Es tut mir sehr leid, daß Sie sich Ihr Bein verletzt haben. Aber das Tor wird Ihnen keinen Kummer mehr machen. Das garantiere ich Ihnen.«
    »Na gut«, sagte ich und humpelte zum Wagen, um den Burdizzo zu holen. »Wo sind denn die Kälber?«
    Mr. Ripley ging gemächlich über den Hof und öffnete die obere Hälfte der Schwingtür zum Stall. »Sie sind da drinnen.«
    Ich blieb einen Augenblick wie angewurzelt stehen. Eine Reihe riesiger zotteliger Köpfe blickte mich über die Holzbalken hinweg gleichgültig an. Dann streckte ich einen zitternden Zeigefinger vor. »Meinen Sie die da?«
    Der Farmer nickte zufrieden. »Ja, das sind sie.«
    Ich ging weiter und sah in den Stall hinein. Es waren acht stramme Einjährige darin. Einige erwiderten meinen Blick mit sanftem Interesse, andere sprangen umher und wirbelten das Stroh auf. Ich drehte mich zu dem Farmer um.
    »Das gleiche wie letztes Mal«, sagte ich vorwurfsvoll.
    »Was?« fragte er mit Unschuldsmiene.
    »Sie haben mich hergebeten und gesagt, ich sollte ein paar Kälber kastrieren. Aber das hier sind keine Kälber, das sind Bullen! Letztes Mal war es das gleiche. Erinnern Sie sich? Die reinsten Monstren! Sie standen im selben Stall. Ich habe mir beim Zusammendrücken der Zange fast einen Bruch geholt! Und Sie haben versprochen, Sie würden mich in Zukunft kommen lassen, wenn die Tiere drei Monate alt sind. Sie haben gesagt: Das garantiere ich Ihnen!«
    Der Farmer nickte ernst. Er nickte zu allem, was ich sagte. »Das stimmt, Mr. Herriot. Das habe ich gesagt.«
    »Aber diese Tiere sind mindestens ein Jahr alt!«
    Ripley zuckte mit den Schultern und sah mich mit einem traurigen Lächeln an. »Wie die Zeit vergeht! Schlimm, nicht wahr? Sie rast förmlich dahin.«
    Ich ging zum Wagen zurück, um die Sachen für die örtliche Betäubung zu holen. »Also gut«, brummte ich, während ich die Spritze füllte. »Wenn es Ihnen gelingt, sie einzufangen, werde ich sehen, was ich tun kann.« Der Farmer nahm einen Strick von einem Haken an der Wand und ging unter beruhigendem Gemurmel auf eines der großen Biester zu. Er traf mit überraschender Leichtigkeit das Maul und zog die Schlinge über die Hörner – gerade noch rechtzeitig, bevor das Tier nach ihm stoßen konnte. Dann schlang er den Strick durch einen Ring an der Wand und zog ihn stramm.
    »Da haben Sie ihn, Mr. Herriot. War keine große Sache, was?«
    Ich sagte nichts. Schließlich war ich derjenige, der mit den wirklichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben würde! Ich mußte nämlich am falschen Ende arbeiten, hübsch in Reichweite der Hufe. Und meine Patienten würden bestimmt nach mir treten, wenn es ihnen nicht gefiel, in die Hoden gepiekt zu werden.
    Aber es half nichts, ich verpaßte einem nach dem andern die Betäubungsspritze in den Hodensack und nahm die Schläge auf Arme und Beine möglichst gleichmütig hin. Dann begann ich mit der eigentlichen Kastration, dem unblutigen Abdrücken der Samenstränge – zweifellos ein großer Fortschritt gegenüber der alten Methode, bei der man mit dem Messer einen Schnitt in den Hodensack hatte machen müssen.
    Bei jungen Kälbern war es eine harmlose Angelegenheit von

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