Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle
Schaf der Familie“, fuhr Sherlock fort, „das einerseits im sprichwörtlichen Sinn, er ist von dunkler Haut, und vor allem spricht man bei uns nicht über ihn. Er wird verschleiert und davon dunkel, ja schwarz wie die Nacht. Man kennt ihn nicht in London und nun war er ja auch so lange fort, auf Haiti, wie ich hörte. Sie müssen wissen, mein erster Gedanke dabei war: Da gehört er hin. Da ist er in seinem Element. Denn Voodoo hat ja schon den Namen, nicht wahr. Aber auch die dunkle Natur, wie mir meine Tante berichtet, er war schon als kleiner Junge so, aber damit will ich nicht sagen, dass er Fliegen die Beine ausriss wie so viele böse Jungs, nein, er versuchte sie ihnen wieder anzukleben und sprach dazu beschwörende Worte, um sie wieder zu beleben. Aber es wären das wohl höchstens Zombiefliegen geworden, und wer braucht das? Damit will ich sagen, er ist ein Freund der dunklen Seite, und dadurch, dass er ihr Freund ist, überhaupt nicht brutal oder abgefeimt oder bösartig, sondern eigentlich sehr rücksichtsvoll von Natur aus. Aber eben doch den dunklen Mächten ergeben auf gewisse Art und Weise. Das ist zumindest meine Diagnose. Unser Vood ist aber auch ein echter Holmes, wir teilen den Vater, nun ja, Mycroft, Voodoo und ich, der sich ja unglücklicherweise nicht mehr unter den Lebenden befindet. Zumindest nehme ich das an. Denn ich weiß nicht, wo ich mich befinde. Ich meine, ich ja, aber nicht mein Vater“, kam Sherlock zu einem holprigen Ende, um dann auszurufen: „Wie schön Sie sind! Eine Königin!“
Und es stimmte. So wie die große Mutter da saß, mit ihrer seidigen Haut, den vollen Lippen, den ausdrucksvollen Augen, war sie das. Und das Besondere dran: Sie konnte heute geheimnisvoll schweigen, nickte nur leicht.
„ Und du sprichst wie ein Buch, lieber Bruder. Mir scheint, seit gestern ist dir Felis Zunge angewachsen“, sagte Voodoo. „Ich glaube, ihr habt tatsächlich die Zungen getauscht, denn sie spricht heute nur sehr wenig und ist dabei sehr weise. So weise, wie man dich kennt.“
Feli warf ihm einen Blick zu.
„ Warum wir gekommen sind“, setzte Voodoo fort, und erzählte seinem Bruder alles, was sie in der vorigen Nacht im Keller des Britischen Museums erlebt hatten. Sherlock hörte aufmerksam zu, unterbrach nur, wenn etwas unklar war und machte sich Notizen. Als Voodoo an das Ende seines Berichts gekommen war, lehnte sich Sherlock zurück und überlegte.
„ Gut. Wir haben hier mehrere Elemente“, sagte er. „Zwei Personen, die sich auf Haiti getroffen haben und nach England gereist sind und nun hier etwas erleben, das sehr ungewöhnlich ist. Sie haben es zu zweit erlebt und ohne Zeugen und berichten jetzt davon in einem glaubwürdigen Tonfall. Doch was sie sagen, ist natürlich völlig unglaubwürdig, wenn man es unter naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten beurteilt würde.“
„ Ich kann mir vorstellen, dass du das so siehst“, sagte Voodoo gekränkt. „Aber es entspricht der Wahrheit.“
„ Das sehe ich auch so“, stimmte Sherlock zu, „nur welches Bild der Wahrheit ist es? Ich halte es für ein geistig-seelischen Phänomen, kein körperliches, kein materielles. Aber dadurch wird es nicht weniger interessant. Einiges ist mir aufgefallen. Beispielsweise, dass Du von kleiner und zarter Statur bist und doch über diese Dame gebietest, deren Gestalt von königlichen Ausmaßen ist. Das gleiche Prinzip schildert ihr von dem kleinen Kopf, der über die größeren gestellt sein soll, der mächtigste von ihnen. Die Köpfe folgen also zumindest maßstabsmäßig einem Gesetz, das auch euch verbindet. Was aber, wenn es umgekehrt wäre? Der kleine Kopf spricht und behauptet, dass er der Chef ist, und der große Kopf, der stumm bleibt, ist es in Wirklichkeit, ebenso wie Madame, die du die große Mutter nennst, ja auch unendlich mächtiger ist also du. Durch ihre Erfahrung, ihre Klugheit, ihre Begabungen. Deshalb ist die Frage hier auch nicht, kann ich dir als meinem Bruder bei seiner Untersuchung helfen, die er über vertauschte Zungen auf Haiti anstellt, sondern warum ist Madame nach London gekommen mit dir als Anhängsel? Du verstehst, was ich meine?“
„ Du hältst mich für hypnotisiert und sie für meine Hypnotiseurin?“ fragte Voodoo.
Sherlock nickte. „Oder etwas Ähnliches. Deshalb registriere ich einfach einmal, dass Ihr beide als Team das britische Museum dazu gebracht habt, in einem seiner Depots Steinköpfen Metallzungen im Holzrahmen hinein zu stecken, und
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