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Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Titel: Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Rieger
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freier. Holmes würde dort, wenn er nach Haiti zurück kehrte, ein Leben lang auf seinem Boot zubringen können und sich von den Fischen und den Früchten der Inseln ernähren.
    Nein. Es musste etwas anderes sein. Jetzt gingen seine Gedanken zurück zum Ausgangspunkt. Die große Mutter, wie sie genannt wurde – er hatte sie nicht so genannt, das war eines der großen Missverständnisse seines Bruders – hatte auf Haiti den Ruf einer Magierin, einer Frau, die mit der Totenwelt in Verbindung stand, die Tote zum Leben erweckte. Wenn das so war – wo waren die Toten? Sie erwachten, so konnte es sein, in den Mündern der Menschen. Zuerst waren es Zungen, dann waren es Augen. Feli kämpfte dafür, dass die Toten die Lebenden beherrschen würden, mehr und mehr. Das war es, was sie motivierte. Vielleicht konnte sie damit gedanklich gar nichts anfangen. Vielleicht brach es einfach aus ihr heraus. Sie konnte nichts dafür. Sie war ein Werkzeug in den Händen dunkler Mächte. Ein Werkzeug, das sich einmal zur Königin aufschwingen würde, zur Königin der Welt. Aber das würde sie nur sein können, wenn der Aberglauben zunahm, wenn Angst herrschte. Ja, es war ein Reich des Voodoo, das sie wollte, wollen musste, und er, den nicht nur sein Name, sondern auch seine Anlagen dazu auserwählt hatten, in diesem Reich ein Prinz zu sein, war ihr williges Handwerk ... wieder war es richtig, was Sherlock gesagt hatte. Ja, sein Bruder war ein Meister. Aber er verstand nichts von den dunklen Kräften ...
     
    Und jetzt wieder ein anderer Gedanke, ein siedend heißer, der ihm die augenblickliche Gewissheit gab, dass es sich so verhielt, es war wie eine Zukunftsschau, als würde er die nächsten Stunden vor sich ausgebreitet sehen: Feli war im Keller des Britischen Museums, schob dort die Zungen wieder in die Münder, rief die Geister und der Lärm hob wieder an und die Schallwellen breiteten sich aus, mehr und mehr unter der Erde, und letztendlich würde daraus ein tatsächliches Erdbeben, dessen Zentrum die Untergrundbahnlinie war. Es war der Versuch, das System der Eisenbahnen, die unter der Erde in den letzten Jahrzehnten entstanden waren, zu benutzen, um damit Erschütterungen hervorzurufen. Es würden viele Gebäude einstürzen in dieser Nacht, wenn man es geschehen ließ. Es war eine unausdenkliche Katastrophe, wie man es sonst nur von Erdbeben kannte. Man würde es für ein Erdbeben wie jenes halten, das Lissabon zerstört hatte. Doch war es dort ein Erdbeben gewesen oder hatte es auch dort Köpfe gegeben, tief unter der Erde, die die Macht der Portugiesen zerstörte? Wie viele Tausende würden diesmal unter den Trümmern der Gebäude begraben werden?
     
    Holmes sprang aus dem Bett und verließ fluchtartig das Hotel. Er rannte die Schächte der Metropolitan hinab, nahm den Zug bis zur Euston Station und hetzte die Gower Street zum Britischen Museum hinab. Es hatte bereits geschlossen, und auf sein Hämmern an Türen und Fenstern antwortete keiner. Voodoo lief in die Baker Street zurück, aber auch dort war alles dunkel. Sherlock war ausgegangen. Sir Brian war, wie er am Vortag erfahren hatte, aufs Land gefahren. Voodoo kramte in Sherlocks Sachen und fand seinen Ring Dietriche und kehrte damit zum Museum zurück, um sich an die Eingangstür zu machen. Er hatte mit der Technik, Türen aufzubrechen, keine große Erfahrung, doch als er mit den Dietrichen scheiterte, schlug er dann einfach eines der Fenster im Erdgeschoss ein, zwängte sich durch die Gitter, die hier für einen Mann von kleiner Statur zu großmaschig waren und fand sich in der Stille und Dunkelheit des riesigen Gebäudes allein.
    Den Wachraum mit den vielen Schlüsseln fand er eine halbe Stunde später. Er lag im ersten Kellergeschoss hinter einer nicht weiter bezeichneten Türe. Ob es einen Nachtwächter gab? Bestimmt. Aber wenn es so war, dann hatte er noch keinen Dienst. Holmes blickte auf die Uhr. Es war 18:23.
    Er sah die Schlüssel zum zweiten Untergeschoss durch und merkte sehr schnell, dass zwischen XXII und XXIV ein Schlüssel fehlte. Also hatte er mit seiner Vermutung wohl Recht gehabt. Feli befand sich da unten. Wie sie es geschafft hatte, sich des Schlüssels zu bemächtigen, stand in den Sternen, aber sie hatte es geschafft.
    Holmes überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Sie mit Muskelkraft zu überwältigen, war ausgeschlossen. Schon konnte er sich vorstellen, von ihr mit einer Hand gepackt und irgendwo auf einen höher hängenden Haken an die Wand

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