Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle
gehängt zu werden, wo er hilflos zappeln würde, bis ihn nach der Katastrophe die Wachen befreiten. Sofern es noch Wachen gab. Und das Britische Museum nicht über ihn und seinem Haken zusammengebrochen war. Nein, so durfte es nicht laufen.
Hatte er denn Macht über sie? Gewiss nicht, wenn er sich mit seiner Statur vor ihr aufbaute. Und mit einer Maske? Es war etwas in ihr, was hörig sein konnte, wenn man es richtig anstellte.
Während er noch unschlüssig im Gang stand, hörte er ein Klappern. Es war eine Teetasse irgendwo. Dann ein Vibrieren, und das war er selbst, aber auch alles um ihn herum. Ja, der Boden vibrierte unter seinen Füßen. Es hatte begonnen. Man hörte einen dumpfen Klang, der wie „Paaaaaaaaaaaaa!“ klang, gefolgt von „Maaaaaaaaa!“ und: „Bakaaaaaaaaaaaaaa!“ Paddington, Marylbone, Baker, dachte er dazu automatisch.
Nun ging alles ganz schnell. Holmes stürzte zur Treppe vor, rutschte das Geländer in das nächste Stockwerk hinab, hechtete zur Tür des Depot XXIII vor, die offen stand und sah, dass Staubwolken aus der Öffnung hervor traten. Der riesige Saal, in dem die Köpfe standen, war dunkel und so laut, dass man davon verrückt zu werden drohte. Man hätte sich vielleicht die Ohren zuhalten können, aber man spürte, dass der Ton durch alle Poren ging und es dagegen keinen Schutz gab. Holmes sah die große Mutter. Sie stand – wie war sie da hinauf gekommen? - auf dem größten der Köpfe. Und wieder hatte Sherlock Recht behalten, dieser Kopf war der Mächtigste, denn er brüllte so laut, dass man die dahinter stehenden Köpfe gar nicht wahr nahm. Sie sah ihn auch, und lachte da oben, diese kleine Figur, die sie geworden war. Er sah sie lachen in dem Bewusstsein, dass er sie nie erreichen konnte, und wie sie da stand, drängte sich ihm ein Bild auf einer Gebärenden, als wäre der Kopf, den sie erklommen hatte, zwischen ihren Beinen hervor gekommen. Dieser Gedanke reichte aus, um nun etwas zu tun, das ihm zuvor wohl undenkbar erschienen wäre. Es war eine Entscheidung aus dem Bauch, wie sie für ihn typisch war, das wusste er nun, und so verrückt, dass er sich geschämt hätte, sie überhaupt einem anderen mitzuteilen. Es war eine Bewegung, so schnell lief er auf den Kopf zu, auf dieses gähnende Maul, das Chaos und Tumult hervor spie und sprang über die schnarrende und vibrierende Zunge hinweg direkt in dieses Loch hinein. Und dann wurde alles schwarz um ihn.
VIII
Die Insel
Es waren schöne Wochen, in denen sich Voodoo von Dakar an der Westküste Afrikas aus über den großen Atlantik in die Richtung Barbados auf machte, um dann südlich Richtung Trinidad Kurs aufzunehmen, wo jene Insel stand, von der es hieß, sie sei die Insel der „Köpfe“. Tagsüber schien die Sonne von einem Himmel herab, der selten ganz frei war von Wolken, aber auch nie ganz bedeckt war, und der Wind blies die ganze Zeit von Norden nach Süden, was zwar einen starken Wellengang erzeugte, seine Fahrt jedoch beschleunigte. In all dieser Zeit hatte Voodoo ausreichend Gelegenheit, um in aller Ruhe über die Ereignisse von London nachzudenken, und als er an das Ende dieser Überlegungen gekommen war, wusste er, dass seine Fahrt erst zu Ende sein würde, wenn er die Insel gefunden und erforscht hatte. Er war sich aber auch sicher geworden, dass er nach Europa zurückkehren würde, um mit seinem Bruder zusammen zu arbeiten, und vielleicht auch mit Dr. Watson, der ihm erzählt hatte, dass er über ihn schreiben wolle wie über den Bruder. Er hatte das in einem Ton gesagt, der klar stellte, dass er zugleich eine Freundschaftsrolle beanspruchte, die ihm eigentlich nicht zustand. Die ihm nie zustehen würde, vermutete Voodoo. Der Altersunterschied, fand er, war etwas zu groß, und auch der Schreibstil des Arztes nicht der seine. Vielleicht würde er, wenn es denn einmal einen interessanten Fall gab, auch selbst zur Feder greifen?
Wie war der Fall, den sie in den Zeitungen den „Fall der Todeszungen“ getauft hatten, denn nun wirklich ausgegangen? Es war sein erster großer Fall gewesen, und würde über viele Jahre bewundernd erwähnt werden, denn London zu retten, das war etwas, das noch nicht einmal seinem Bruder gelungen war. Für Voodoo bedeutete es sicherlich einen guten Start in einem Beruf, der ähnlich wie der Beruf des Bruders nur schemenhaft definiert war, aber doch seinen Mann ernährte, wenn man es geschickt anstellte. Konnte man von den Zuwendungen der
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