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Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Titel: Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Rieger
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Ich blickte hinab und sah, wie der Schlächter die Goldmaske abnahm. Er war jung, sehr jung, ein Knabe noch. Aber das war nicht alles. Der Knabe sah mir ähnlich. Nein, mehr noch. Ich erblickte das Unglaubliche, denn er war ich. Es schien mir, als hätte ich mich geteilt, und alles, was ich einmal in meinen besten Tagen verkörpert hatte, gehörte nun diesem fremden Wesen, das ich einmal gewesen war, gewesen sein musste. Ich selbst aber, das hängende, über und über mit Blut bespritzte Kind, war völlig entleert, eine Hülle, und als nun mein lebendes Selbst mit rosa schimmernder Lanze nach mir stach, war da ein winziges Flattern in mir, der Gedanke, dass ich meine letzte Sekunde sehen würde, und ich war  sofern ich überhaupt noch etwas fühlte – froh, dass ich diese Welt verlassen konnte, denn ich befand mich in einem Zustand, der zwischen Übelkeit und ohnmächtigem Schreien liegt, obwohl ich lautlos und reglos baumelte, als der Stahl nach mir schlitzte und über mich hinweg fuhr und mit messerscharfer Klinge das Seil, an dem ich hing, durchtrennte. Ich sackte in die Tiefe, meinem Ebenbild entgegen. Es war wie ein Spiegel, der zerschmettert wurde. Ich muss auf dem Boden aufgeschlagen sein, doch ich erinnere mich nur an das höhnische Grinsen meines mächtigen Spiegelbildes, das spielerisch wie ein Tänzer, zurück trat, den schimmernden Umhang um sich raffte und ins Dunkel abtauchte.
     
    Als ich wieder zu mir kam, trat ich sogleich wieder in einen weiteren Traum ein, in dem sich mein Körper in ein Stück Holz verwandelt zu haben schien. Er schmerzte, als würde er von Pflanzenfasern durchzogen, die von der Hitze, die mich durchglühte, zu Glassträngen aushärteten. Ich wusste, dass ich erwacht war, und dass diese Empfindung, wie auch das Schwanken der Umgebung, zu wirklich waren, um bloß geträumt zu werden, und dass der brennende Durst, den ich empfand, reel war. Ich hing kopfüber vom Rücken einer Person, die mich trug, und das über Stock und Stein, behände und hastig wie jemand, der sich auf der Flucht befindet, ein kräftiges, menschliches Wesen, dessen Erschöpfung aber man als zunehmende Weichheit in den Gliedern spürt. Es war, als wäre man ein über Wogen schnellender Stein, der sich verlangsamt und in den Fluten zu versinken droht, und tatsächlich stolperte mein Träger und fiel, und ich schlug irgendwo auf und wollte schreien, und hörte ein Krächzen, das wohl aus meinem Munde gekommen war. Dann rückte jemand meine Glieder zurecht – mein Körper war wie verstreut auf der Erde liegen geblieben – und stützte meinen Kopf und dieser Jemand deckte mich zu, obwohl meine Haut glühte und flößte mir behutsam und beharrlich eine Flüssigkeit ein, die bitter schmeckte und scharf, und die ich, ohne es zu wollen, immer wieder ausspieh und sabberte, und da waren diese großen, weichen Hände, die mir über das Gesicht wischten und den Hals, und den Becher neu ansetzten und meinen Kopf, der willenlos auf dem Hals baumelte und pochte, behutsam fassten. Nach einer Weile merkte ich, dass ich ruhiger wurde. Wenn Schmerzen vom Unerträglichen ins Erträgliche wechseln, ist das beinahe so, als würde man von einem warmen Strömen durchflossen. Ich wurde mit einem Mal klar genug, um wahrzunehmen, wo ich war: Irgendwo in der Nacht in der Tiefe eines Dschungels, in einer Stille, die durchbrochen wurde von Abertausenden von Lauten. Zuerst hatte ich nichts gehört als das Tosen meiner Empfindungen, nun aber traten die Ohren in ihr Recht ein, und auch die Augen, die zwischen der Schwärze auf der Unterseite der Blätter den Himmel erkannte, überstreut von Sternen, eine Decke von weißen und gelben und rötlichen Lichtern. Da vernahm ich den Atem des Menschen, der mit mir hier in der Wildnis kauerte und spürte mit einem mal die größtmögliche Nähe, die zwischen zwei Menschen denkbar ist, und als ich meinen Bauch befühlte, erkannte ich, was es war: Eine Nabelschnur, die aus meiner Leibesmitte spross und die ich befühlte und mit den Fingern verfolgte. Dort in der Nähe meines Bauches spürte man deutlich die Hülle dieses zuckenden, schlangenartigen Auswuchses, doch diese Empfindung verlor sich, und die Nabelschnur gehörte zunehmend einem anderen, und während ich mich ihr entlang tastete, stieß meine Hand auf einen Bauch, der atmete, und eine weiche, haarige Stelle.
    „ Mutter?“ fragte ich.
    „ Ja“, sagte die Stimme, „ich bin es. Und du bist mein Sohn, Voodoo. So, wie ich dich einmal in das

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