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Voodoo Holmes Stories

Voodoo Holmes Stories

Titel: Voodoo Holmes Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Rieger
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Schriftstellerkollege von mir, gewissermaßen, und so wie es heißt, eine Krähe hacke einer anderen kein Auge aus, herrscht unter uns Schriftstellern die stillschweigende Vereinbarung, keinen Kollegen in unseren Werken auftreten zu lassen, insbesondere, wenn er so sehr zu Prominenz gekommen ist wie T., wie ich ihn hier nennen will.
    Sherlock hatte sich zwar herabgelassen, mit T. das Sommerhaus zu besichtigen, wobei jener ihm ruhig und sachlich die Daten der Tage aufzählten, an denen der Geruch feststellbar gewesen sei, und wer sich nach seiner Kenntnis Zugang zum Sommerhaus verschafft haben könnte, das von einer starken Mauer umgeben inmitten eines großen Gartens in Kensington stand. Eine recht einfache Aufgabe für einen Detektiv eigentlich, sollte man meinen. Gefordert war eigentlich nur, das Gartenhaus eine Zeitlang zu beobachten und auf Besucher zu überprüfen. In der Mehrzahl der Fälle ist es ja doch so, dass Menschen die Träger von Düften sind, die sie mehr oder weniger freiwillig verbreiten. Allerdings gab es nur einen Haustorschlüssel, den T. nach seinen Angaben stets bei sich führte, und er hatte die gelegentliche Nutzung des Sommerhauses niemandem erlaubt. Eine ärztliche Untersuchung bei einem angesehenen Hals-Nasen-Ohren-Arzt war ergebnislos geblieben. T. hatte – wie das bei Schriftstellern häufiger vorkommt – zwar einen sehr feinfühligen, jedoch ausgesprochen treffsicheren Geruchssinn. Als Sherlock und ich das Anwesen verließen und an der nächsten Straßenkreuzung nach einer Droschke winkten, brach er das Schweigen mit den Worten: „Sie haben mir verschwiegen, dass es sich bei Ihrem Kollegen um eine Frau handelt.“
    „Tatsächlich?“ Ich zog verwundert die Augenbrauen hoch, aber wenn man sich die hohe, schlanke Gestalt mit dem blassen Gesicht und den fülligen Lippen vor Augen rief, mochte er Recht haben.
    „Es ist erstaunlich, dass es ihr gelungen ist, das Geheimnis so lange zu bewahren. Ich kenne ihre Romane, und die Frauen darin sind weit glaubwürdiger gezeichnet als man das von männlichen Autoren gewohnt ist.“
    Jetzt wuchs mein Erstaunen ins Unermessliche. „Sie lesen historische Romane, Holmes?“ stammelte ich.
    „Wenn sie gut geschrieben sind“, meinte er leichthin, „Man erfährt dabei allerhand Nützliches, und sei es nur über das Geschlecht ihres Verfassers.“
    „Und werden Sie ihr in ihrer Angelegenheit helfen können?“ lenkte ich von meiner Verwirrung ab.
    Er zuckte mit den Achseln. „Es gibt dort einen Besucher oder eine Besucherin, soviel steht fest. Und der oder die betreffende Person riecht etwas zu stark nach Moschus.“
    „Sie konnten den Geruch bestätigen?“
    Er nickte.
    „Dann werden Sie den Fall lösen?“
    „Welchen Fall, Watson? Kein Geheimnis, kein Fall. Es ist kein Verbrechen, Sommerhäuser mit Moschusduft zu belegen. Und wenn es eins wäre, dann höchstens ein ästhetisches. Moschus ist eigentlich ein männlicher Duft, müssen Sie wissen.“
    „Wenn kein Verbrechen, dann ist es doch zumindest Hausfriedensbruch.“
    Aber Sherlock hörte mir längst nicht mehr zu.
     
    Als sein jüngerer Bruder mit dem Fall betraut wurde, hatte dieser über Nacht an Brisanz gewonnen, denn man hatte in dem Sommerhaus eine Tote gefunden, die auf geheimnisvolle Art zu Tode gekommen war. Ihr Hals zeigte Würgemale und ihr Haupt war übel zugerichtete, mit verschwollenen Augen und zahlreichen Blutergüssen, als hätte es einem Wahnsinnigen als Punching-Bag gedient. Im Polizeibericht war zu lesen, die Tote habe auffallend stark nach Moschus gerochen, so der Telegraph.
    Erst wollte T., als wir ihn in seiner Mietwohnung am Tavistock Square aufsuchten, erst gar nicht vorlassen, doch als er hörte, ein anderer Holmes wolle sich um den Fall bemühen, gab er schließlich nach und man führte uns in einen Salon, der völlig in Rot gehalten war. Darin wirkte T., der sichtlich gramgebeugt war, wie eine Krähe, die ihr Gesicht mit Kalk getüncht hat (da eine Krähe einer anderen kein Auge aushackt, sollte ich vielleicht schmeichelhafter sagen, ihr edles, fein gezeichnetes Gesicht sei dem Anlass gemäß etwas blutleer gewesen?)
    „Madame“, begann der junge Holmes seine Rede, „handelte es sich bei der toten eventuell um Ihre Geliebte?“
    Eine Kaskade an Emotionen spielte sich auf dem Gesicht des berühmten Schriftstellers ab. Zuerst Unglauben, Erstaunen, Zorn, Scham, und dann eine Form der Ergebenheit, ein Hauch von Depression, als sie antwortete: „Sie verkennen

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