Voodoo Holmes Stories
die Stimme des jungen Holmes von fern, sodass ich mich besonders darauf zu konzentrieren versuchte. „Eine Ziege?“ fragte die Stimme, „was meinen Sie mit einer Ziege? Was verstehen Sie darunter genau, Watson?“
Das Wort GENAU hallte mir in den Ohren. Ich versuchte, ihm klar zu machen, was es damit GENAU auf sich hatte und stieß zur Verdeutlichung einen meckernden Laut aus, denn es schien mir, als könnte man sich damit verständlicher machen als mit Worten und den Sinn GENAU treffen.
„Und Sie, Mrs. Hudson“, hörte ich den jungen Holmes fragen, „wären dann ja wohl der Wolf, nicht wahr?“
Eine dräuende Stille trat ein, fast so wie eine Dunkelheit, die mich ängstigte, und in der ich, weil mich das Schweigen quälte, ein Meckern ertönen ließ. Im nächsten Moment verspürte ich einen scharfen Schmerz am Hals und stürzte zu Boden. Es waren Zähne, jemand biss mich! Und als ich durch den Schmerz aus meiner Betäubung erwachte, erblickte ich die weißen Rüschen des Haushälterhäubchens unserer lieben Mrs. Hudson, die sich aus unerfindlichen gründen auf mich gestürzt und mich mit einer Kraft, die ich ihrem Körper nie zugetraut hätte, zu Boden gerissen hatte! Als nun der typische matte Applaus ertönte, an dem ich meinen Freund Sherlock Holmes erkannte, wurde das Ganze zu einer Theateraufführung und ziemlich lächerlich, denn man fragte sich, was einen dazu bewegt hatte, seine Rolle zu spielen. Ich erblickte im Gesicht unserer Hausdame so etwas wie Scham und Verwirrung, als sie sich aufrappelte und wahrscheinlich dieselben Fragen stellte. Wir wechselten krause Entschuldigungsformeln und versuchten, dem anderen den Staub aus den Kleidern zu klopfen, wichen dann aber beide von der Berührung des anderen Körpers zurück, als handelte es sich da um eine Todfeindschaft, die man nicht näher erklären kann, die einen aber Abstand halten lässt …
„Es ist in Ordnung, völlig in Ordnung, Mrs. Hudson, wir danken Ihnen für Ihre Bereitwilligkeit, sich für diese Sache zur Verfügung zu stellen“, stammelte ich, dankbar dafür, meine menschliche Stimme wieder gefunden zu haben, „danke vielmals. Wie wäre es jetzt mit einer guten Tasse Tee, Mrs. Hudson?“
Die Frage schien für sie von weit weg zu kommen, erreichte jedoch in ihr den Teil, den wir an ihr am Besten kannten. Mit einer Verbeugung und einigen großmütterlichen Lauten entschuldigte sie sich um meiner Anweisung augenblicklich Folge zu leisten.
Beglückt über meinen Erfolg, schaute ich die Gebrüder Holmes um Zustimmung heischend an. Beide lächelten, der Jüngere zufrieden und fast etwas triumphierend, der ältere mit einem gewissen Stolz. Was sollte das sein: Familienstolz bei ihm, Sherlock Holmes?
„Also, wenn er das kann, dann kriegt er das auch mit einem Wolf und einer Ziege hin!“ rief ich aus, „er ist ein Zauberer, Holmes. Und Sie erlauben sich einen bösen Scherz mit mir, wenn Sie gestatten, dass ich mich hier vor der Jugend zum Affen mache!“
„Bedaure zutiefst, lieber Watson, aber ich konnte Sie nicht aus der Bredouille retten. Ich war selbst zu sehr damit beschäftigt, die Rolle eines Kohlkopfs darzustellen. Eher ein kontemplativer Akt, fürchte ich, und nicht sehr hilfreich. Ich hatte die ganze Zeit die grässliche Vorstellung, Sie wollten an meinen Ohren knabbern, Watson!“
Wir lachten laut auf, wohl auch, um den Spuk zu vertreiben. Schließlich wandte sich Holmes an unseren Besucher: „Du hast bestanden, glänzend bestanden, Voodoo. Es ist mir eine Ehre, einen Mann mit deinen magnetischen Kräften in dieser Detektei begrüßen zu können. Es ist außergewöhnlich. Eine Frage hätte ich noch: Die Schlange, mit der du diese Hypnosereaktionen auslöst, die wirkt doch direkt lebendig…“
Da war es an dem jungen Holmes, mit einem entwaffnenden Lächeln zu erwidern: „Schlange? Was für eine Schlange?“
*
Den ersten Auftrag, den Voodoo Holmes von seinem älteren Bruder übertragen bekam, war der mit dem Sommerhaus. Er eignet sich aus zweierlei Gründen nicht für eine Veröffentlichung: Einmal war er einer jener Banalitäten, mit deren Aufklärung sich in keinem Fall renommieren ließe, denn es handelte sich um die Empfindung des Besitzers eines Sommerhauses, jenes sei mit einem Fluch belegt, was sich durch einen merkwürdigen Geruch manifestiere, der allerdings nur für den Hausbesitzer wahrnehmbar sei. Außerdem handelte es sich bei dem Besitzer um den Verfasser viel gelesener historischer Romane, ein
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