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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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und eines Deckenventilators, der über ihren Köpfen knackte und knirschte, war es angenehm kühl. In der künstlichen Brise wiegten sich die Flammen sanft hin und her, sodass es den Anschein hatte, als würden sich die Wände langsam um sie drehen, wie ein großes, formloses Ungeheuer, das seine Beute umschleicht, den richtigen Moment abwartet und sich an der Angst seines Opfers delektiert.
    Philippe stellte sie vor. Seine Stimme war sanft und seine Körpersprache drückte Respekt aus, wenn er mit seiner Mutter sprach – was Max verriet, dass er sie in gleichem Maße liebte wie er sie fürchtete.
    »Max Mingus, darf ich Ihnen Madame Mercedes Leballec vorstellen?«, sagte er und trat einen Schritt zur Seite.
    »Bond-joor«, sagte Max und senkte automatisch und fast gegen seinen Willen den Kopf. Sie strahlte eine natürliche Autorität aus – eine Macht, die von der Erniedrigung und Einschüchterung anderer lebte.
    »Mr. Mingus, willkommen in meinem Haus.« Sie sprach Englisch mit französischem Akzent, langsam und ein wenig geziert. Sie artikulierte jedes Wort mit sanfter Stimme, die einstudiert und manieriert wirkte; eine Stimme, die sie eigens für Fremde anlegte.
    Max schätzte sie auf Ende sechzig oder Anfang siebzig. Sie trug ein langärmliges blaues Jeanskleid mit hellen Holzknöpfen. Sie war komplett kahl, ihr Schädel so glatt und glänzend, dass es aussah, als wäre da noch nie ein Haar gewachsen. Sie hatte eine hohe, steile Stirn, der Rest des Gesichts dagegen wirkte gedrungen, alles war kleiner und weniger ausgebildet, als es sein sollte. Ihre Augen waren so winzig, dass Max kaum das Weiße sehen konnte. Sie bewegten sich wie Schatten hinter einem Guckloch. Sie hatte weder Wimpern noch Augenbrauen, trug aber eine abstrakte Version Letzterer in Form zweier breiter schwarzer Striche. Diese liefen von den Schläfen im Bogen zu einer Stelle zwischen der Stirn und der flachen, trichterförmigen Nase, wo sie fast zusammentrafen. Ihr Mund war klein und erinnerte an ein Fischmaul, der Unterkiefer kräftig, das Kinn so tief eingekerbt, dass es aussah wie ein Pferdehuf. Genau so stellte sich Max eine exzentrische und leicht furchteinflößende, einsame alternde Filmdiva nach überstandener Chemotherapie vor. Er warf einen kurzen vergleichenden Blick zu Philippe hinüber, der schlaff neben ihr auf einem Schemel hockte, die Hände im Schoß. Er sah nicht die geringste Ähnlichkeit.
    Mit königlicher Geste forderte Mercedes Max und Chantale auf, Platz zu nehmen.
    »Sie suchen also den Jungen? Charlie?« Sie fing an zu sprechen, kaum dass sie saßen.
    »Richtig«, sagte Max. »Haben Sie ihn?«
    »Nein«, antwortete Mercedes mit Nachdruck.
    »Aber Sie kennen Eddie Faustin?«
    »Ich kannte ihn. Eddie ist tot.«
    »Woher wollen Sie das wissen? Sein Leichnam ist nie gefunden worden.«
    »Eddie ist tot«, wiederholte sie und rollte näher an den Tisch heran.
    Max bemerkte die große Pfeife aus Edelstahl, die sie an einem Band um den Hals trug, und fragte sich, für wen die wohl bestimmt war, für die Hunde, für Philippe oder für beide.
    »Hat Eddie Ihnen erzählt, für wen er gearbeitet hat, oder mit wem?«
    »Wenn er das getan hätte, würden wir jetzt nicht hier sitzen.«
    »Wieso das?«, fragte Max.
    »Weil ich dann reich wäre und Sie nicht hier.«
    Etwas hinter ihrer linken Schulter erregte Max’ Aufmerksamkeit. Eine lebensgroße Messingskulptur zweier betender Hände, die aufrecht mitten auf einem von schwarzem Tuch verhüllten Tisch stand. Der Tisch wurde von zwei langen Kerzen in hohen Ständern im Stil griechischer Säulen flankiert. Rechts und links der Hände ein Kelch und eine leere Glasflasche. Dahinter in einem Halbkreis ein Hundeschädel, ein Dolch, zwei Würfel, ein Herz Jesu aus Metall und eine Stoffpuppe. Doch es waren die Objekte im Zentrum des Arrangements, die er als Letztes bemerkte. Sie lagen vor den Händen auf einer Messingschale, die vielleicht einmal ein Hostienteller gewesen war: zwei Porzellanaugen von der Größe von Pingpongbällen mit hellblauer Iris, die ihm direkt in die Augen starrten.
    Ein Altar für schwarzmagische Zeremonien. Er erinnerte sich, dass er in Miami Anfang der achtziger Jahre viele solcher Altäre gesehen hatte, als die kubanische Verbrechenswelle über die Stadt hereingebrochen war. Böse Menschen hatten böse Geister um Schutz angefleht, bevor sie losgegangen waren, um böse Dinge zu tun. Die meisten Polizisten hatten die Altäre lautstark als abergläubischen Humbug

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