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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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Philippe, als er sie an den einfachen Grabsteinen vorbeiführte. »Die Sklaven haben nicht nur ihr Blut getrunken und ihre Uniformen angezogen, sie haben auch ihre Namen übernommen. Sehen Sie?« Er zeigte auf einen Stein, in den der Name Valentin eingemeißelt war. »Sie können im Dorf rumfragen: Jeder einzelne Name, den Sie da zu hören kriegen, stammt von hier.«
    »Ist das nicht ein Widerspruch in sich?«, fragte Max. »Wenn sie doch die Freiheit wollten, warum dann die Namen der Sklaventreiber behalten?«
    »Wieso Widerspruch?« Philippe lächelte. »Hier ging es um völlige Auslöschung.«
    »Und warum dann der Friedhof? Warum haben sie die Leichen begraben?«, fragte Max.
    »Haitianer haben einen Riesenrespekt vor den Toten. Sogar vor weißen Toten. Sie wollten nicht von irgendwelchen französischsprachigen Geistern heimgesucht werden«, lächelte er und sah Max in die Augen. Auf dem Weg hierher hatte Max den Sicherungsriegel seines Holsters gelöst.
    »Aber irgendwas ist schiefgelaufen mit dem Zauber«, sagte Philippe, als er sie zu der großen freien Fläche führte, die die Gräber der Soldaten von den anderen Grabsteinen auf dem Friedhof trennte. In der Mitte stand ein einzelner Stein vor einem Stück trockener, rotbrauner Erde, auf der kein Gras wuchs. In den Stein war kein Name eingemeißelt.
    »In Napoleons Armee gab es sehr viele Jungen, manche erst acht Jahre alt, Waisen, die in den Dienst gepresst worden waren. Die ganze Garnison hier war ausgesprochen jung, der höchste Offizier war grade mal zwanzig«, sagte Philippe und betrachtete das Grab. »Hier ist das Maskottchen der Garnison begraben. Keine Ahnung, wie alt der war, auf jeden Fall noch ein Kind. Wie er hieß, weiß ich auch nicht. Er hat Klarinette gespielt, für die Sklaven auf den Feldern. Ihn haben sie sich zuletzt vorgenommen.
    Er musste ihnen auf der Klarinette vorspielen, während sie seine Kameraden einen nach dem anderen an den Füßen aufgehängt und ihnen die Kehle aufgeschlitzt haben, damit sie in einen Eimer ausbluteten. Mit ihm haben sie das nicht gemacht. Ihn haben sie in eine Kiste gesperrt und lebendig begraben, genau hier.« Philippe tappte mit dem Fuß auf den Boden. »Es heißt, er habe noch lange Klarinette gespielt, lange nachdem sie ihm die letzte Hand voll Erde aufs Grab geworfen hatten. Das ging tagelang, die dünne Musik des Todes. Manche Leute behaupten, wenn hier ein starker Wind durch die Orangenbäume weht, kann man noch heute den Klang der Klarinette hören, der sich mit dem Gestank der Orangen vermischt, die keiner essen will, weil sie sich von den Toten nähren.«
    »Was ist denn schiefgelaufen mit dem Zauber?«, fragte Max.
    »Wenn Sie an so etwas glauben: Baron Samedi ist gekommen, um die Toten zu holen, die die Sklaven ihm geopfert haben, aber der Junge ist noch am Leben. Er nimmt ihn auf als einen Helfershelfer und überträgt ihm die Kinderabteilung.«
    »Und er wird zum Gott des Todes für die Kinder?«
    »Ja, nur dass er kein richtiger Gott ist. Kein Mensch huldigt ihm wie dem Baron. Er ist mehr eine Schreckgestalt. Und er wartet auch nicht, bis die Kinder tot sind. Er holt sie sich lebendig.«
    Max musste an Dufour denken, der ihm geraten hatte, zur Quelle der Legende von Tonton Clarinette zu gehen, um herauszufinden, was mit Charlie passiert war. Nun war er hier, er war an der Quelle, wo die Legende entsprungen war. Und wo war jetzt die Antwort?
    »Woher wissen Sie das alles? Über die Soldaten und das Ganze?«
    »Ich bin mit unserer Geschichte aufgewachsen. Meine Mutter hat mir davon erzählt, als ich noch klein war. Genau wie ihre Mutter es ihr erzählt hatte, und so weiter und so fort, bis ganz zurück zum Ursprung. Das gesprochene Wort hält die Geschichte sehr viel besser am Leben als Bücher. Papier brennt«, sagte er. »Überhaupt, wenn mich nicht alles täuscht, sind Sie wegen meiner Mutter hier, habe ich Recht?«
    »Ihre Mutter?« Verwundert blieb Max stehen. »Wie ist denn Ihr Nachname?«
    »Leballec«, grinste Philippe.
    »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
    »Sie haben mich nicht gefragt«, sagte Philippe lachend. »Sie sind wegen dem Jungen hier, stimmt’s, wegen Charlie Carver? Genau wie die anderen Weißen.«
    Genau in diesem Moment hörte Max im Obstgarten direkt hinter sich schwere Schritte und knackende Zweige. Er und Chantale drehten sich um und sahen drei große Orangen über den Boden auf den Zaun zurollen. Eine kullerte hindurch und blieb vor Chantales Füßen liegen.

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