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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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Sandras Tod lasse ich jede Stunde einen Streifenwagen bei euch die Straße hoch und runter fahren.«
    Max hätte es wissen müssen. Er kam sich dumm vor.
    »Ich werde nicht mehr oder weniger von dir halten, weil du um Sandra trauerst. Aber ich werde mit Sicherheit weniger von dir halten, wenn du anfängst, mich wie einen Volltrottel zu behandeln«, sagte Joe. Er redete mit ihm, wie er vermutlich auch mit seinen Kindern redete: Er schimpfte nicht nur, er machte ihm auch noch ein schlechtes Gewissen.
    Max schwieg. Auch Joe sagte nichts. Im Hintergrund hörte Max die üblichen Geräusche des Büroalltags: Stimmen, klingelnde Telefone, piepsende Pager. Joes Kinder würden sich wohl ungefähr an dieser Stelle entschuldigen und anfangen zu weinen. Joe würde sie auf den Arm nehmen, sie drücken und sagen, schon gut, aber dass mir das nicht wieder vorkommt. Dann würde er ihnen einen Kuss auf die Stirn drücken und sie wieder auf den Boden setzen.
    »Tut mir leid, Joe«, sagte Max. »War alles ein bisschen viel für mich.«
    » No es nada , mi amigo «, sagte Joe nach einer kleinen Kunstpause, die Max glauben machen sollte, dass Joe abzuschätzen versuchte, ob er es ernst meinte.
    »Aber es wird nicht besser, wenn du versuchst, davor wegzulaufen. Du musst schon zum Berg gehen, sonst kommt der Scheißer zu dir«, sagte Joe.
    »Ich weiß«, sagte Max. »Ich arbeite dran. Deswegen rufe ich auch an. Ich wollte dich um Hilfe bitten. Ich brauche ein paar Berichte, alte Akten und so weiter, alles, was du über einen gewissen Allain Carver hast. Er ist Haitianer und …«
    »Ich kenne ihn«, sagte Joe. »Sein Sohn ist verschwunden, richtig?«
    »Genau.«
    »Er war vor einer Weile hier und hat Anzeige erstattet.«
    »Ich dachte, der Junge ist in Haiti verschwunden?«
    »Irgendjemand hat gemeint, ihn hier in Hialeah gesehen zu haben.«
    »Und?«
    »Dieser Jemand war eine verrückte alte Dame, die von sich behauptet, Visionen zu haben.«
    »Habt ihr das überprüft?«
    Joe lachte – ein lautes, herzliches, dabei zugleich trockenes und zynisches Lachen, wie man es nach über zwanzig Jahren im Polizeidienst unweigerlich bekam.
    »Max! Wenn wir damit anfangen, suchen wir demnächst kleine grüne Männchen in North Miami Beach. Die alte Dame lebt in Little Haiti. Das Gesicht des Jungen klebt da überall, auf jeder Wand, an jeder Tür, in jedem Geschäft, wahrscheinlich ist es sogar im Wasser, das die da trinken – das Gesicht und die fuffzigtausend Dollar Belohnung für sachdienliche Hinweise.«
    Max musste an Carvers erste Kampagne in Haiti denken. Die Zweitauflage in Miami hatte wahrscheinlich ganz ähnliche Ergebnisse erbracht.
    »Hast du die Adresse der Frau?«
    »Du übernimmst den Fall?« Joe klang besorgt.
    »Ja.«
    »Eigentlich ist Carver nur zu mir gekommen, weil er an dich ranwollte. Ich habe gehört, du hast dich ziemlich geziert. Wieso hast du deine Meinung so plötzlich geändert?«
    »Ich brauche das Geld.«
    Joe schwieg. Max hörte, wie er sich etwas aufschrieb.
    »Du brauchst eine Waffe«, sagte Joe.
    »Das wäre meine zweite Bitte gewesen.«
    Max war die Waffenlizenz auf Lebenszeit entzogen worden. Er hatte damit gerechnet, dass Joe Nein sagen würde.
    »Und die erste?«
    »Ich brauche Kopien von allem, was du über den Carver-Jungen und seine Familie hast.«
    Wieder hörte er Joe schreiben.
    »Kein Problem«, sagte der. »Wollen wir uns in der L-Bar treffen? Sagen wir so um acht?«
    »An einem Freitag? Nicht lieber irgendwo, wo es ruhiger ist?«
    »Das L hat eine neue Lounge Bar. Abgetrennt vom Rest. Da ist es so ruhig, dass man die Fliegen furzen hört.«
    »Okay«, lachte Max.
    »Ich freu mich, dich wiederzusehen, Max. Echt«, sagte Joe.
    »Ich mich auch, Großer«, sagte Max.
    Joe wollte was sagen und stockte, dann versuchte er es noch mal und stockte wieder. Max hörte es an dem leichten Atemholen. Es war noch da, wie bei einem alten Ehepaar: Er konnte noch immer Joes Gedanken lesen.
    Joe machte sich Sorgen.
    »Wo drückt der Schuh, Joe?«
    »Hast du dir das gut überlegt mit Haiti?«, fragte Joe. »Ist noch nicht zu spät, du kannst da noch raus.«
    »Wieso sagst du das, Joe?«
    »Ist nicht gerade ein sicheres Pflaster für dich.«
    »Ich weiß, was da los ist.«
    »Das meine ich nicht«, sagte Joe langsam. »Es geht um Boukman.«
    » Boukman? Solomon Boukman?«
    »Mhhhm.«
    »Was ist mit dem?«
    »Er ist draußen«, nuschelte Joe in den Hörer.
    » Was? Der saß in der Todeszelle!«, schrie Max und sprang auf.

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