Voodoo
sich die Brust rasiert, und sie hatten ihm das Mikro mit Klebeband über der Brustwarze befestigt, das Kabel lief ihm über den Bauch nach unten und schlängelte sich wie ein langer Blutegel nach hinten auf seinen Rücken zu einem Empfänger mit Batterie, der am Hosenbund festgemacht war.
Sie hatten einen Test gemacht. Er hatte seine eigene Stimme laut und deutlich gehört.
Sie waren zurück zu den Wagen gegangen. Er hatte gefragt, wie es auf La Gonâve gelaufen sei. Sehr gut, hatten sie gesagt.
Auf dem Weg zum Anwesen der Carvers war ihm klar geworden, dass sein größter Weihnachtswunsch darin bestand, die Angelegenheit hinter sich zu bringen: Haiti, Carver, diesen Fall.
Er begriff, dass der Fall gelaufen war: Charlie Carver war tot, und seine Leiche würde vermutlich niemals gefunden werden. Der Mob, der Eddie Faustin umgebracht hatte, hatte ihn zu Tode getrampelt.
Das passte und ergab Sinn, ein ordentliches, sauberes Ergebnis, zumindest auf dem Papier.
Es würde reichen, aber im Grunde war es nicht genug. Nicht für ihn, nicht, wenn er für den Rest seines Lebens ruhig schlafen wollte.
Er brauchte mehr Beweise dafür, dass der Junge tot war.
Aber woher kriegen? Und warum?
Und wem genau wollte er mit diesem Blödsinn etwas vormachen? Er war kein Privatdetektiv mehr, schon vergessen? Das war vorbei, und zwar seit dem Moment, in dem er in New York auf die drei Jugendlichen geschossen hatte. Er hatte eine Grenze überschritten, hinter die man nicht wieder zurückkonnte. Er war ein verurteilter Mörder, er hatte drei jungen Menschen kaltblütig das Leben genommen. Das löschte alles aus, was er früher einmal gewesen war, und vieles, wofür er gestanden hatte.
Und jetzt war er dabei, einem ehemaligen Klienten eine Falle zu stellen. Noch nie hatte er einen Klienten ans Messer geliefert, und er wusste von keinem Privatdetektiv, der das getan hatte – nicht einmal Beeson. So etwas kam einfach nicht vor. Es war Bestandteil eines langen Kodexes unverletzlicher Standesregeln, allesamt ungeschrieben, allesamt im Flüsterton und mit Augenzwinkern weitergegeben.
Wie zu erwarten war, trank Carver einen ausgesprochen guten Whiskey. Max konnte die Qualität riechen, selbst unter dem Wasser, in dem er den Whiskey ertränkt hatte.
»Allain und Francesca werden gleich hier sein«, sagte Gustav.
Nein , werden sie nicht , dachte Max. Sie waren ihm auf dem Weg hierher entgegengekommen, gefahren von Pauls Männern.
»Also, wie laufen die Ermittlungen?«, fragte Gustav.
»Nicht besonders gut, Mr. Carver. Sieht aus, als wäre ich in einer Sackgasse gelandet.«
»Das passiert wohl in Ihrem Beruf, denke ich mir, genau wie in jedem anderen, bei dem Köpfchen und Antrieb gefragt sind, oder? Man folgt einem Weg und endet vor einer Mauer, was tut man? Man geht zurück zum Anfang und sucht sich einen anderen Weg.«
Carver durchbohrte Max mit einem festen Blick seiner fast schwarzen Augen. Der alte Mann war genauso gekleidet wie bei Max’ letztem Besuch: beigefarbener Anzug, weißes Hemd, glänzend polierte schwarze Schuhe.
»Diese Blockade, die Sie da haben, muss ja ein ganz neues Phänomen sein. Vor wenigen Tagen noch erzählte mir Allain, Sie wären da auf etwas gestoßen – kurz vor einem Durchbruch?« In Carvers Stimme war ein verächtlicher Unterton zu hören. Er drückte seine Zigarette aus und stellte den Aschenbecher auf den Tisch. Fast im gleichen Moment kam ein Dienstmädchen und tauschte den Ascher gegen einen identischen sauberen aus.
»Ich war tatsächlich auf etwas gestoßen«, bestätigte Max.
»Und?«
»Es war nicht das, was ich erwartet hatte.«
Gustav musterte ihn. Er studierte sein Gesicht, als wäre da etwas, das er zuvor noch nicht bemerkt hatte. Dann lächelte er leise.
»Sie werden meinen Enkel finden. Da bin ich mir ganz sicher.« Er leerte sein Glas.
Max gingen drei mögliche Antworten durch den Kopf: geistreich, sarkastisch oder kompromisslos konfrontierend. Er entschied sich für keine der drei, sondern lächelte nur und senkte den Blick, um Carver glauben zu machen, dass er sich geschmeichelt fühlte.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Carver und musterte ihn. »Sie wirken irgendwie anders.«
»Anders als was?«, fragte Max, aber es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Als der Mann, der neulich hier war. Der Mann, den ich bewundert habe, der wild entschlossene Aufräumer, der John-Wayne-Mingus. Sind Sie sicher, dass Sie nicht krank werden? Sie waren doch nicht etwa bei
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