Voodoo
verstehe: Charlie hat Ihnen … oder vielmehr, sein Geist hat Ihnen erzählt, was mit ihm los war, ja? Warum er nicht gesprochen hat.«
»Ja.«
»Und …? «
»Und was?«
»Was war mit ihm los?«
»Ich habe es seiner Mutter gesagt. Wenn sie es Ihnen nicht erzählt hat, werde ich das auch nicht tun.«
»Es könnte mir bei meinen Ermittlungen helfen«, sagte Max.
»Das würde es nicht.«
»Lassen Sie mich das entscheiden.«
» Das würde es nicht «, sagte Dufour bestimmt.
»Und seine Mutter hat Ihnen das so abgekauft? Was immer es war, was Charlie Ihnen erzählt hat?«
»Nein, sie war ebenso skeptisch wie Sie. Offen gestanden, sie hat mir nicht geglaubt«, sagte Chantale zögernd, ihr Tonfall klang fragend und verwirrt. Was sie da hörte, ergab für sie keinen Sinn.
»Und was hat sie eines Besseren belehrt?«
»Wenn sie Ihnen das erzählen möchte, soll sie das tun. Ich werde es nicht.«
Max wusste, dass er auf diese Art und Weise nichts aus ihm herauskriegen würde. Was immer es war, Francesca oder Allain Carver würde es ihm erzählen müssen. Er ging weiter zum nächsten Punkt.
»Sie sagten, Ihre Geister hätten sich unterhalten. Ist das immer noch der Fall? Stehen Sie noch immer mit Charlie in Kontakt?«
Chantale übersetzte. Dufour antwortete nicht.
Max fiel auf, dass er das Dienstmädchen nicht hatte aus dem Raum gehen sehen. War sie noch da? Er schaute zur Tür, aber die Dunkelheit dort war zu undurchdringlich, zu fest entschlossen, nicht mehr preiszugeben als unbedingt nötig.
» Oui «, sagte Dufour schließlich und setzte sich in seinem Sessel zurecht.
»Ja? Haben Sie erst kürzlich mit ihm gesprochen?«
»Ja.«
»Wann?«
»Heute Morgen.«
»Ist er noch am Leben?«
»Ja.«
Max wurde der Mund trocken. Für einen kurzen Augenblick verdrängte die Aufregung seine Zweifel und seine Skepsis.
»Wo ist er?«
»Er weiß es nicht.«
»Kann er Ihnen seine Umgebung beschreiben?«
»Nein … nur dass eine Frau und ein Mann sich um ihn kümmern. Sie sind wie Eltern zu ihm.«
Max notierte sich das, obwohl er das Gespräch auf Band aufzeichnete.
»Kann er ungefähr sagen, wo er sich befindet?«
»Nein.«
»Ist er verletzt?«
»Er sagt, dass die Leute sehr gut zu ihm sind.«
»Hat er Ihnen gesagt, wer ihn entführt hat?«
»Das müssen Sie herausfinden. Deshalb sind Sie hier. Das ist Ihre Aufgabe«, sagte Dufour mit lauterer Stimme und gereiztem Ton.
»Meine Aufgabe? « Max legte das Notizbuch auf den Tisch. Es gefiel ihm gar nicht, was er da gerade gehört hatte, die Arroganz, die darin lag, die Anmaßung.
»Jeder ist mit einer bestimmten Aufgabe auf dieser Welt, Max. Jedes Leben hat einen Grund«, fuhr Dufour ruhig fort.
»Und … was soll das heißen?«
»Das hier – hier und jetzt – ist Ihre Aufgabe. Es liegt in Ihrer Hand, wie die Dinge sich entwickeln werden, nicht in meiner.«
»Wollen Sie damit sagen, ich bin geboren worden, um Charlie zu finden?«
»Ich habe nie gesagt, dass Sie ihn finden werden. Das ist noch nicht entschieden.«
» Oh ! Und wer entscheidet darüber?«
»Wir wissen noch nicht, warum Sie hier sind.«
»Wer ist wir? «
»Wir wissen nicht, was Sie hier hält. Bei den anderen war es leicht zu erkennen, die waren wegen des Geldes hier. Söldner. Nicht gut. Aber Sie hat etwas anderes hergebracht.«
»Na ja, das Klima ist es nicht«, witzelte Max und erinnerte sich im gleichen Moment an den Traum in jenem Hotelzimmer in New York, in dem Sandra ihm geraten hatte, den Fall zu übernehmen, weil er »keine andere Wahl« habe. Er erinnerte sich, wie er die Alternativen durchgegangen war, wie er seine Zukunft vor sich gesehen hatte, wie aussichtslos alles ausgesehen hatte. Der alte Mann hatte recht – er war hier, um sein eigenes Leben zu retten, genauso wie das von Charlie.
Wie viel wusste Dufour über ihn? Bevor er ihn fragen konnte, fing der alte Mann wieder an zu sprechen.
»Gott gibt uns den freien Willen und den Verstand. Einigen wenigen gibt er von beidem viel, vielen gibt er vom einen mehr als vom anderen, den meisten gibt er von beidem nur begrenzt. Diejenigen, die über beides verfügen, wissen, wo ihre Zukunft liegt. Politiker sehen sich als Präsidenten, Angestellte als Chefs, Soldaten als Generäle, Schauspieler als Superstars und so weiter. Diese Leute kann man meistens schon sehr früh erkennen. Sie sind noch keine zwanzig, da wissen sie schon, was sie aus ihrem Leben machen wollen. Aber wie und wann wir unsere ›Aufgabe‹ erfüllen –
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