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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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schaute auf den Boden und sah, dass da bei Bedarf ausreichend Munition vorhanden war. Die Straße war praktisch ein Steinbruch.
    Er nahm Chantale beim Arm und zog sie ein paar Schritte zurück.
    Plötzlich ertönte vom Haus her wieder ein Pfiff. Der Junge kam schreiend angelaufen. Chantale stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Die Kinder ließen die Steine fallen und widmeten sich wieder ihrem Spiel.

22
    Ein junges Mädchen mit Zahnspange und herzlichem Lächeln machte ihnen die Tür auf und ließ sie ein. Mit Gesten gab sie ihnen zu verstehen, dass sie in der grün-gelb gefliesten Eingangshalle warten sollten, dann lief sie die elegant geschwungene, mit Teppich ausgelegte Treppe hinauf.
    Anfänglich war es nach der brütenden Hitze draußen angenehm kühl im Haus, aber nach einer Weile wurde ihnen empfindlich kalt. Chantale rieb sich die Arme, um sich zu wärmen.
    Durch ein Deckenfenster fiel Licht in die Eingangshalle. Weitere Lichtquellen – weder elektrische noch andere – sah Max nicht, auch keine Schalter an den Wänden. Er konnte kaum zwei Meter weit sehen. Dahinter herrschte fast völlige Dunkelheit, die an den Rändern des Lichthofs darauf lauerte, den Platz einnehmen zu können, an dem sie standen.
    Max bemerkte ein großes Ölgemälde an der Wand: zwei hispanisch aussehende Männer mit hageren, fast totenkopfartigen Gesichtern, vor ihnen eine hübsche dunkelhäutige Frau. Alle trugen Kleider aus der Zeit des Bürgerkriegs, in ihren schwarzen Gehröcken und den grauen Nadelstreifenhosen erinnerten die Männer an Glücksspieler aus Mississippi. Die Frau trug ein orangefarbenes Kleid mit weißem Rüschenkragen, in der Hand einen Sonnenschirm.
    »Ist einer von den beiden Duufuur?«, fragte Max Chantale, die das Bild aufmerksam betrachtete.
    »Beide«, flüsterte sie.
    »Hat er einen Zwillingsbruder?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    Das Mädchen erschien oben auf der Treppe und winkte sie hoch.
    Auf der Treppe bemerkte Max gerahmte Schwarzweißfotos an den Wänden, teilweise sehr alt und in Sepia. In dem Licht waren sie nur schwer zu erkennen – es schien schwächer zu werden, je höher sie stiegen, obwohl sie dem Oberlicht näher kamen. Ein Foto fiel Max besonders ins Auge: ein schwarzer Mann mit Brille in weißem Kittel, der zu einer Gruppe von Kindern sprach, die irgendwo im Freien saßen.
    »Papa Doc, als er noch gut war«, sagte Chantale, als sie Max’ Blick bemerkte.
    Das Mädchen führte sie in ein Zimmer, dessen Tür weit offen stand. Drinnen war es stockdunkel. Lächelnd nahm sie Chantales Hand und forderte sie auf, Max bei der Hand zu nehmen. Praktisch blind tasteten sie sich voran.
    Das Mädchen führte sie zu einem Sofa, sie setzten sich. Dann riss sie ein Streichholz an, und für einen kurzen Moment war es hell im Zimmer. Max sah Dufour, der ihnen gegenüber im Sessel saß, eine Decke auf den Knien, und ihn lächelnd ansah. Dann wurde es wieder dunkel, als die Flamme an den Docht einer Öllampe gehalten wurde. Max konnte Dufour nicht mehr sehen, was nicht schlimm war, weil das wenige, das er gesehen hatte, keinen allzu erfreulichen Anblick bot. Mit der langen Hakennase, die direkt zwischen seinen Augen anfing, und den schlaffen Hautfalten am Unterkiefer erinnerte der Mann an einen monströsen Truthahn. Er war bestimmt hundert Jahre alt, oder kurz davor.
    Die Öllampe erzeugte ein schwaches, bronzefarbenes Glimmen. Max konnte Chantale und den Mahagonitisch vor sich sehen, darauf ein Silbertablett mit einem Krug eisgekühlter Limonenlimonade und zwei Gläsern mit blauem Muster in der Mitte. Der Rest des Zimmers lag im Dunkeln, auch Dufour war nicht zu erkennen.
    Dufour brach das Schweigen, er sprach Französisch und nicht Kreolisch. Mit leiser, fast unhörbarer Stimme erklärte er, er könne nur drei Wörter auf Englisch: » Hello «, » Thank you « und » Goodbye «. Chantale übersetzte und fragte Dufour, ob er damit einverstanden sei, dass sie als Dolmetscherin bei dem Gespräch dabei war. Er sagte ja, er redete sie mit »Mademoiselle« an. Für einen flüchtigen Moment erhaschte Max einen kurzen Blick in eine längst vergangene Zeit, als Männer sich noch an den Hut tippten, den Damen den Stuhl zurückzogen und ihnen die Tür aufhielten, aber diese kurze Vision wurde schnell wieder von der Gegenwart verdrängt.
    »Sie müssen entschuldigen, dass es hier so dunkel ist, aber meine Augen sind nicht mehr das, was sie mal waren. Bei zu viel Licht kriege ich schreckliche Kopfschmerzen«,

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