Voodoo
Gesicht war, gerade so ausmachen konnte. »Wer hat die Termine gemacht? Sie oder Mrs. Carver?«
»Ich.«
»Wie haben Sie sie davon in Kenntnis gesetzt?«
»Per Telefon. Elaine, mein Dienstmädchen, das Sie hereingelassen hat, hat Rose angerufen, Charlies Kindermädchen.«
»Wie lange vorher haben Sie Bescheid gegeben?«
»Vier, fünf Stunden.«
Max schrieb sich das auf.
»War zu den Terminen noch jemand bei Ihnen?«
»Nur Elaine.«
»Es war sonst niemand im Haus, wenn Charlie bei Ihnen war? Keine Besucher?«
»Nein.«
»Haben Sie jemandem von Charlies Besuchen erzählt?«
»Nein.«
»Hat irgendjemand Charlie herkommen sehen?«
»Alle hier in der Straße.«
Dufour lachte los, sobald Chantale übersetzt hatte, um klarzustellen, dass es ein Scherz war.
»Wussten die Leute, wer Charlie war?«, fragte Max.
»Ich glaube nicht.«
»Haben Sie bemerkt, dass Ihr Haus von verdächtigen Personen beobachtet wurde? Vielleicht von Leuten, die Sie nicht kannten?«
»Nein.«
»Hat sich hier niemand rumgetrieben?«
»Das hätte ich gesehen.«
»Ich dachte, Sie mögen das Tageslicht nicht.«
»Es gibt nicht nur eine Art zu sehen«, übersetzte Chantale.
Bitte anschnallen und festhalten – wir nähern uns dem Hokuspokus-Disneywunderland , hätte Max am liebsten gesagt, behielt es aber für sich. Es war nicht das erste Mal, dass er sich mit einem Voodoo-Priester unterhielt, dem übernatürliche Fähigkeiten nachgesagt wurden. Schon damals auf der Suche nach Boukman war er einem begegnet. Das einzig Überwältigende an jenem Mann war sein Geruch gewesen: badewannenweise Rum und monatelange Duschabstinenz. Max hatte das Spiel mitgespielt, die richtigen Antworten gegeben, und hatte am Ende des Treffens einiges über Haitis Nationalreligion erfahren. Manchmal – wenn auch nicht oft – zahlte es sich aus, nachsichtig und tolerant zu sein.
»Sie stellen nicht die richtigen Fragen«, ließ Dufour durch Chantale übermitteln.
»Ach ja? Was soll ich denn fragen?«
»Ich bin hier nicht der Detektiv.«
»Wissen Sie, wer Charlie entführt hat?«
»Nein.«
»Ich dachte, Sie können in die Zukunft sehen?«
»Ich kann nicht alles sehen.«
Wie praktisch . Das erzählt man wohl den Leuten , denen unerwartet ein Verwandter gestorben ist .
»Zum Beispiel«, fügte Dufour hinzu, »kann ich den Leuten nicht vorhersagen, wann ihre Liebsten sterben werden.«
Max’ Herz setzte einen Schlag aus. Er schluckte.
Zufall : Kein Mensch kann Gedanken lesen .
Hinter ihm rührte sich etwas – oder jemand. Er hörte eine Bodendiele leise knarren, als würde jemand langsam, aber fest auftreten. Er schaute sich um, es war nichts zu sehen. Er sah zu Chantale hinüber, aber die schien nichts gehört zu haben.
Max drehte sich wieder zu Dufour.
»Erzählen Sie mir von Charlie. Wie war das, wenn er bei Ihnen war? Was haben Sie mit ihm gemacht?«
»Wir haben uns unterhalten.«
»Sie haben sich unterhalten?«
»Ja. Wir haben uns unterhalten, ohne zu sprechen.«
»Verstehe«, sagte Max. »Es war also … was? Telepathie, außersinnliche Wahrnehmung, sechster Sinn oder was?«
»Unsere Geister haben sich unterhalten.«
»Ihre Geister?«, fragte Max so neutral wie möglich. Er hatte das dringende Bedürfnis, in lautes Gelächter auszubrechen.
Sie hatten nun offiziell das Reich des Unfugs betreten, wo alles möglich war und das Abstruse nie abstrus genug sein konnte. Er hatte sich vorgenommen mitzuspielen, solange die Regeln nicht zu sehr über den Haufen geworfen wurden und ihm die Situation nicht gänzlich entglitt. Erst dann würde er dem Spaß ein Ende bereiten und wieder die Regie übernehmen.
»Unsere Geister. Unser innerstes Wesen. Auch Sie haben einen. Verwechseln Sie nicht Ihren Körper mit Ihrer Seele. Ihr Körper ist nur das Haus, in dem Sie wohnen, solange Sie hier auf dieser Erde weilen.«
Und verwechseln Sie mich nicht mit einem Schwachkopf .
»Wie haben Sie das gemacht, sich mit seinem Geist unterhalten?«
»Das gehört zu meinen Fähigkeiten … obwohl ich es zuvor noch nie mit einem lebenden Menschen getan hatte. Charlie war einzigartig.«
»Worüber haben Sie gesprochen?«
»Über ihn.«
»Was hat er Ihnen erzählt?«
»Hat man Ihnen gesagt, warum er zu mir gekommen ist?«
»Weil er nicht gesprochen hat, ja … und …?«
»Er hat mir den Grund dafür genannt.«
Aus den Augenwinkeln nahm Max zu seiner Rechten eine Bewegung wahr und drehte schnell den Kopf, doch da war nichts.
»Okay, damit ich das richtig
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