Vor aller Augen
Kopf von Little Gus. Er drehte ihn kraftvoll und mit einem lauten Knacken brach das Genick des Gangsters.
»Vielleicht bin ich zuweilen doch ein Hitzkopf«, sagte der Wolf. Dann blickte er in die Ãberwachungskamera und sagte zu Captain Ladove: »Oh, hatte ich ja ganz vergessen â keinerlei Körperkontakt.«
Am nächsten Morgen wurde Augustino Palumbo in seiner Zelle tot aufgefunden. Nahezu jeder Knochen in seinem Leib war gebrochen. In der Moskauer Unterwelt war diese symbolträchtige Art von Mord als zamochit bekannt. Man
hatte den Gegner »durch die Mangel gedreht«, ihm sämtliche Knochen gebrochen und damit die totale Dominanz des Angreifers bewiesen. Der Wolf hatte überdeutlich klar gemacht, dass er jetzt der Pate war.
Teil Eins
Der Fall »WeiÃes Mädchen«
1
Das Phipps-Plaza-Einkaufszentrum in Atlanta war eine aufwendige Komposition aus rosa Granitböden, ausladenden Treppen mit Bronzegeländern, vergoldeten Napoleonsymbolen und einer Beleuchtung, die wie Halogen-Spotlights strahlte. Ein Mann und eine Frau beobachteten ihre Zielperson â »Mom« -, als diese Niketown verlieÃ. Laufschuhe und sonstigen Kram für ihre drei Töchter hatte sie sich unter einen Arm geklemmt.
»Sie ist sehr hübsch. Ich verstehe, warum der Wolf sie mag. Sie erinnert mich an Claudia Schiffer«, sagte der männliche Beobachter. »Siehst du die Ãhnlichkeit?«
»Dich erinnert jede an Claudia Schiffer, Slava. Verlier sie nicht. Denn wenn du deine kleine hübsche Claudia aus den Augen verlierst, frisst der Wolf dich zum Frühstück.«
Das Entführungs-Team trug edle Kleidung, wodurch es für die beiden leicht war, in der Phipps Plaza im Buckhead-Distrikt von Atlanta nicht aufzufallen. Um elf Uhr vormittags war im Einkaufszentrum nicht viel los. Das könnte ein Problem werden.
Es half, dass die Zielperson in ihrer eigenen Welt, in einem engen Kokon aus sinnloser Aktivität, umherschwirrte. Rein und wieder raus bei Gucci, Caswell-Massey, Niketown, dann Gapkids und Parisian (wo sie ihre eigene Einkaufsberaterin
namens Gina hatte). Dabei achtete sie in keinem Geschäft auch nur im Geringsten darauf, wer sich in ihrer Nähe befand. Sie arbeitete strikt nach den Eintragungen in ihrem in teures Leder gebundenen Kalender und bewältigte ihre Runde schnell, effizient und routiniert. Sie kaufte verwaschene Jeans für Gwynne, ein Lederetui für Brendan, Nike-Tauchbrillen für Meredith und Brigid. Sie vereinbarte sogar noch einen Friseurtermin bei Carter-Barnes.
Die Zielperson hatte Stil und immer ein freundliches Lächeln für das Verkaufspersonal, welches sie in den eleganten Geschäften bediente. Sie hielt sogar für Männer die Tür hinter sich offen, die sich dann überschlugen, der attraktiven Blondine zu danken. »Mom« war sexy, und sie ähnelte tatsächlich dem Supermodel Claudia Schiffer. Doch das sollte ihr zum Verhängnis werden.
Laut der Personenbeschreibung dieses Jobs war Mrs. Elizabeth Connolly Mutter von drei Mädchen, hatte in Vassar Kunstgeschichte studiert und 1987 erfolgreich mit einem Diplom abgeschlossen, das â laut ihrer eigenen Aussage â »in der realen Welt â was auch immer das sein mag â völlig wertlos, doch für mich unschätzbar wertvoll ist«. Sie hatte vor ihrer Ehe als Reporterin für die Washington Post und die Atlanta Journal-Constitution gearbeitet. Sie war siebenunddreiÃig, sah jedoch wie dreiÃig aus. Ihr Haar wurde an diesem Tag von einer Samtspange zurückgehalten. Sie trug einen ärmellosen Rollkragenpullover, darüber eine gehäkelte Jacke und enge lange Hosen. Sie war blitzgescheit und religiös â allerdings mit gesundem Menschenverstand â und â wenn nötig â knallhart und zäh. So stand es in ihrem Dossier.
Nun, schon bald würde sie zäh sein müssen.
Mrs. Elizabeth Connolly würde in Kürze entführt werden. Sie war gekauft worden, und sie war an diesem Vormittag
wahrscheinlich das teuerste Verkaufsobjekt der Phipps Plaza.
Ihr Preis: 150 000 Dollar.
2
Lizzie Connolly war es ein bisschen schwindlig. Sie fragte sich, ob ihr Blutzucker wieder verrückt spielte.
Sie notierte im Geiste, dass sie Trudie Stylers Kochbuch kaufen sollte â sie bewunderte Trudie in gewisser Weise, die Gründungsmitglied der Regenwald-Stiftung und auÃerdem Stings Ehefrau war. Lizzie bezweifelte
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