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Vor aller Augen

Titel: Vor aller Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
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für dich peinlich werden könnte?«
    Ich nickte. »Du hast Recht. Also, meine Leistungen in der Schule sind in Ordnung. In Quantico ist man mit achtzig Punkten durchgefallen. Ich erwarte für die meisten Tests hundert.«
    Â» Für die meisten? « Jannie zog eine Braue hoch und schaute mich mit einem von Nana Mamas »verstörten«

    Blicken an. »Wieso die meisten ? Wir erwarten, dass du in allen Tests hundert Punkte schaffst.«
    Â»Es ist schon ein Weilchen her, seit ich die Schulbank gedrückt habe.«
    Â»Keine Ausreden.«
    Ich schlug mit einem ihrer eigenen Zitate zurück. »Ich gebe mein Bestes und mehr kannst du von niemandem verlangen.«
    Sie lächelte. »Na ja, schon gut, Dad. Solange du, wenn du dein Bestes gibst, auf deinem Zeugnis lauter Einser stehen hast.«
    Ich umarmte Jannie und Damon, wie üblich einen Block vor der Schule entfernt, um sie ja nicht vor ihren – ach so coolen – Freunden zu blamieren. Auch sie umarmten mich und gaben ihrem kleinen Bruder einen Kuss. Dann rannten sie los. »Niederseh’n«, sagte Klein Alex. Jannie und Damon drehten sich um und riefen ihrem Bruder ebenfalls ein »Niederseh’n« zu.
    Ich nahm Klein Alex auf den Arm und wir gingen heim. Ich, der zukünftige Agent Cross des FBI, musste zur Arbeit fahren.
    Â»Dada«, sagte Klein Alex auf meinem Arm. Ja, das klang gut: Dada ! In der Familie Cross rückte langsam alles an seinen Platz. Nach all den Jahren war mein Leben endlich beinahe im Gleichgewicht. Ich fragte mich, wie lang dieser Zustand andauern würde. Hoffentlich für den Rest dieses Tages.

4
    Das Training der neuen Agenten an der FBI-Akademie in Quantico, zuweilen »Club Fed« genannt, erwies sich als ein anstrengendes, straffes und anspruchsvolles Programm. Größtenteils gefiel es mir und ich bemühte mich, meine Skepsis zu unterdrücken. Aber ich war zum FBI mit dem Ruf gekommen, Serienmörder zu fangen, die nach einem bestimmten Muster vorgingen, und hatte bereits den Spitznamen »Drachentöter«. Ironie und Skepsis könnten daher durchaus zu einem Problem werden.
    Die Ausbildung hatte vor sechs Wochen an einem Montagmorgen begonnen. Ein breitschultriger SSA, ein Supervisory Special Agent, Dr. Kenneth Horowitz, stand vor unserer Klasse und versuchte es mit einem Witz. »Die drei größten Lügen der Welt lauten: ›Ich will nur einen Kuss.‹ ›Der Scheck ist in der Post.‹ Und ›Ich bin vom FBI und nur hier, um Ihnen zu helfen.‹« Alle lachten, vielleicht weil der Witz so banal war. Aber Horowitz hatte sich zumindest bemüht, sein Bestes zu geben, und vielleicht ging es genau darum.
    FBI-Direktor Ron Burns hatte dafür gesorgt, dass mein Training nur acht Wochen dauern würde. Er hatte in Bezug auf mich noch weitere Zugeständnisse gemacht. Das Höchstalter für den Eintritt ins FBI war siebenunddreißig. Ich war zweiundvierzig. Burns hatte für mich die Altersbegrenzung außer Kraft gesetzt und seine Meinung dargelegt, dass diese diskriminierend sei und geändert werden müsse. Je mehr ich von Ron Burns sah, desto mehr spürte ich, dass er eine Art Rebell war, vielleicht, weil er selbst ein Cop in Philadelphia gewesen war. Er hatte mich beim FBI als GS13 eingestellt, der höchsten Gehaltsstufe, die ich als
Polizist erreichen konnte. Außerdem hatte man mir eine Beratertätigkeit versprochen, was noch mehr Geld bedeutete. Burns wollte mich unbedingt beim FBI haben, und er hatte mich bekommen. Er sagte mir zu, dass ich jede vernünftige Unterstützung bekommen würde, die ich brauchte, um eine Aufgabe zu erledigen. Ich hatte mit ihm noch nicht darüber gesprochen, aber ich hätte gern zwei Detectives von der Washingtoner Polizei gehabt: John Sampson und Jerome Thurman.
    Nur über meinen Trainingsleiter in Quantico, einen hohen Agenten namens Gordon Nooney, hatte er kein Wort verloren. Noony war für das Training der Agenten verantwortlich. Davor war er als Profiler tätig gewesen, und ehe er FBI-Agent wurde, hatte er als Gefängnispsychologe in New Hampshire gearbeitet. Freundlich ausgedrückt hielt ich ihn für einen Erbsenzähler.
    An diesem Morgen stand Nooney da und wartete, als ich zu meinem Kurs über abnormes Verhalten eintraf. Eine Stunde und fünfzig Minuten über die Möglichkeiten, psychopathisches Handeln zu verstehen. Während meiner nahezu

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