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Vor dem Abgrund: Historischer Roman (German Edition)

Vor dem Abgrund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Vor dem Abgrund: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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im milchigen Licht des Vollmondes, dass dies der ärmere Teil des Geländes war, in dem auch Adams Frau und sein Kind begraben lagen. Hastig liefen sie über den menschenleeren Friedhof, und erneut fiel Celia auf, wie unwirklich und seltsam verwunschen er wirkte. Bei Nacht noch mehr als am Tage.
    Als die beiden um die Kirche herumgelaufen und zum Vordereingang hinausgetreten waren, wurden sie auf dem Platz vor dem Kirchenportal von einem ohrenbetäubenden Konzert aus schiefer Blasmusik, inbrünstigem Gesang, missfälligem Pfeifen, belustigtem Grölen sowie lautstark skandierten Parolen empfangen. Der Fackelzug war am Ten Bells angekommen, und es war für Celia offenkundig, dass sich dort vor der Schänke etwas zusammenbraute. Je lauter die Gaffer herumpöbelten, desto eifriger sangen die Anhänger der Heilsarmee: »Joyful, joyful will the meeting be!« Je gellender das Pfeifen und Krakeelen wurde, desto schriller tönten die Bläser und desto heftiger hämmerten die Trommeln. Es war ein einziger, immer lauter werdender Missklang.
    Adam führte Celia über einige Steinstufen zum höher gelegenen Säulenportal der Kirche, wo sich bereits andere Neugierige eingefunden hatten, um das zu erwartende Spektakel aus sicherer Entfernung verfolgen zu können. Celia und Adam drängten sich zwischen die Zuschauer, die auf einer breiten Mauer zwischen den Sockeln der Säulen standen und von ihrem Standpunkt aus sowohl den Fackelzug wie auch das Ten Bells im Blick hatten.
    Während Celia und Adam sich ihren Platz suchten, beendete die Kapelle ihr musikalisches Getöse. Nun war es an Schwester Eva, ihre Predigt zu beginnen. Die Heilsarmistin stand auf einem kleinen hölzernen Podest mitten auf der Straße. Die zierlichen Hände zum Himmel gestreckt, als wollte sie den Herrn um Hilfe ansuchen, rief sie gegen den Lärm der Menge an: »Oft werde ich gefragt: ›Eva, warum predigst du auf der Straße vor den Elenden und Ärmsten, vor den Sündern und Trinkern, die dich obendrein mit Spott und Häme überschütten?‹«
    Vereinzelt ließ sich höhnisches Gelächter vernehmen. Doch Eva ließ sich nicht beirren, schwenkte ihre Fackel wie ein Feuerschwert und fuhr fort: »Ich kann ihnen nur antworten, was ich auch euch zurufen möchte: Gott ist für ausnahmslos alle Menschen da, nicht nur für die Reichen und Glücklichen, sondern erst recht für die Armen und Ausgestoßenen. Wir Soldaten des Heils wollen uns nicht in Kirchen verschließen und hinter sogenannten Sakramenten verstecken, die zum bloßen Ritual verkommen sind, sondern wir wollen dorthin gehen und kämpfen, wo wir benötigt werden. Um uns den Menschen zu widmen, die uns wirklich brauchen.«
    »Hier braucht euch niemand!«, schrie jemand aus einem Fenster im ersten Stockwerk des Ten Bells.
    »Bist du da so sicher, Bruder?«, rief Eva und strahlte, als hätte sie nur auf diesen Einwand gewartet. »Mich braucht ihr vielleicht nicht, wohl aber den Herrn im Himmel. Denn Jesus Christus ist unser Retter. Er ist für uns gestorben, durch seinen Tod am Kreuz hat er uns allen die Erlösung gebracht.« Sie lachte plötzlich wie ein Kind und rief: »Nun, wenn das keine gute Nachricht ist! Eine bessere kenne ich jedenfalls nicht.«
    Während Adam neben ihr in das Lachen einstimmte, als hätte Eva einen Witz erzählt, und dabei aufgeregt Celias Hand so fest drückte, dass es sie beinahe schmerzte, hielt Celia unauffällig Ausschau nach den schwarz gekleideten Männern mit den Körben. Doch trotz des hellen Mondlichts war kaum etwas zu erkennen. Auch der Gentleman von der Waterloo Station war nirgends zu sehen.
    »Es geht nicht darum, was ihr auf Erden an Leistungen erbringt oder wie viel Geld und Vermögen ihr zusammenrafft«, fuhr Eva derweil in ihrer Predigt fort. »Euer Geld wird an der Himmelspforte nichts mehr wert sein. Entscheidend ist, ob ihr an den Erlöser glaubt. Denn alle, die an ihn glauben, werden gerettet.« Sie beugte sich vor, wandte sich direkt an diejenigen, die dem Podest am nächsten standen, und rief triumphierend: »Ich wiederhole es noch einmal: Alle werden gerettet, egal welchen Rang oder welches Geschlecht sie haben. Wichtig ist allein der Glaube. Ihr werdet alle gerettet werden.«
    »Wenn das so ist, warum gehst du dann nicht nach Hause, Schätzchen?«, brüllte ein schwarz gekleideter Mann. »Wenn wir ohnehin gerettet sind, ist ja alles in Butter.«
    Einige der Umstehenden lachten und klatschten belustigt in die Hände.
    »Dummer Kerl!«, schimpfte Adam.
    Für

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