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Vor dem Abgrund: Historischer Roman (German Edition)

Vor dem Abgrund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Vor dem Abgrund: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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Bettler.«
    »Wenn du kein Bettler bist, bin ich kein Polizist«, lachte er und wandte sich Beifall heischend an die Umstehenden, die unser Wortgefecht belustigt verfolgten.
    »Wenn Sie das sagen, Sir«, erwiderte ich und warf ihm meine Zigarette vor die Füße. »Dann wird’s wohl stimmen.«
    Das selbstgefällige Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, seine Mundwinkel zuckten, der Schlagstock schnellte in die Höhe, doch bevor er auf mich niedersausen konnte, hörte ich eine weibliche Stimme aus dem Hintergrund: »Das wird nicht nötig sein, Constable!« Captain Booth drängte sich von hinten durch die Menge, legte dem Schutzmann die Hand auf den ausgefahrenen Arm und sagte: »Danke, Officer! Ich kümmere mich um den Mann.«
    »Sind Sie sicher, Ma’am?«
    »Das bin ich.« Sie nickte dem Constable zu, schenkte ihm ein freundliches und verbindliches Lächeln und wandte sich dann mit abfälliger Miene an mich: »Sie lieben es, Unruhe zu stiften, nicht wahr?« Eva Booth trug die gleiche Uniform wie am Vorabend, doch unter ihrer Haube schaute ein weißer Verband hervor, der die gesamte Stirn bedeckte. Ihr schönes rotbraunes Haar hatte sie unter der unförmigen Haube verborgen, und auch ihr Blick war nicht so gewinnend und bezaubernd wie bei der gestrigen Veranstaltung.
    »Kommen Sie!«, rief sie und deutete auf die Nummer 101.
    »Nicht im Hauptquartier«, antwortete ich und wies in die entgegengesetzte Richtung. »Begleiten Sie mich zum Fluss?«
    »Fürchten Sie sich vor Zeugen?«, fragte sie und hob die Augenbrauen.
    »Alles in Ordnung, Ma’am?«, erkundigte sich der Constable misstrauisch.
    »Alles in Ordnung, Sir«, sagte ich und hob abwehrend die Hand.
    »Ma’am?«, beharrte der Polizist und trat näher an uns heran.
    »Alles in Ordnung, Officer«, bestätigte sie und ging voraus in Richtung Blackfriars Bridge. Ungeduldig winkte sie mir zu und befahl: »Nun machen Sie schon! Ich habe nicht viel Zeit.«
    Auf dem kurzen Weg zur Themse hatte ich Mühe, mit ihr Schritt zu halten, und als ich sie schließlich kurz vor dem Bahnhof St. Paul’s eingeholt hatte, fuhr sie plötzlich herum, sah mich mit bohrendem Blick an und rief: »Was wollen Sie von mir?«
    »Eine Erklärung«, sagte ich schnaufend, doch meine Worte gingen in dem Lärm einer ratternden Lokomotive unter, die direkt über unseren Köpfen pfeifend in den Bahnhof einfuhr. »Ich möchte mich bei Ihnen für gestern entschuldigen«, sagte ich, als der Krach nachgelassen hat, und setzte hinzu: »Und ich bitte gleichzeitig um eine Erklärung.«
    »Eine Erklärung?«, rief sie und starrte mich verwundert an. »Ausgerechnet Sie wünschen eine Erklärung von mir? Die bin ich Ihnen nicht schuldig.«
    »Sie haben mich geohrfeigt und einen Satan genannt.«
    »Sie nennen sich selbst einen Satan und unterschreiben mit seinem Namen«, erwiderte sie und hielt mir den Zettel mit der Nachricht vor die Nase.
    »Mein Name ist Rupert«, sagte ich. »Rupert Ingram.«
    »Sie sind ein Soldat der gottlosen Skelettarmee. Ein brutaler Rüpel und Krawallmacher.« Dabei tippte sie sich mit der anderen Hand an die verbundene Stirn. »Es macht Ihnen Spaß, andere zu verletzen.«
    »Nicht länger«, sagte ich kopfschüttelnd. »Das ist vorbei!«
    »Gut für Sie«, gab sie sich unbeeindruckt, doch für einen kurzen Augenblick wirkte sie überrascht und auch ein wenig erleichtert, gerade so, als hätte sie tatsächlich befürchtet, ich könnte ihr etwas antun. Dann wandte sie sich von mir ab und blickte zum Fluss, auf dem die Segelboote und Dampfer die niedrige Eisenbahnbrücke passierten und wegen der landeinwärts strömenden Flut mit den Schornsteinen und Masten beinahe an die geschwungene Eisenkonstruktion stießen. »Also?«, fragte sie, ohne mich anzuschauen. »Was kann ich für Sie tun, Mr. Ingram? Was wollen Sie?«
    »Woher kennen Sie mich?«, fragte ich und stellte mich neben sie an das eiserne Geländer, das den Gehweg von der Uferböschung trennte. »Was ist es, das Sie mir vorwerfen? Denn als sie mich einen Satan genannt haben, wussten Sie noch nicht, dass ich zu den Skeletons gehörte. Was habe ich Ihnen getan?«
    Sie sah mich stirnrunzelnd von der Seite an und fragte: »Ist das Ihr Ernst?«
    Ich nickte und blickte ihr direkt ins Gesicht.
    Eva Booth war offenkundig verwirrt. Sie schien mir einerseits zu glauben, war aber zugleich noch nicht bereit, ihr Misstrauen abzulegen. Es hatte fast den Anschein, als suchte sie in meinem Gesicht nach einer Antwort. Dann deutete sie

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