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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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verwirrt.
    »Du lieber grüne Dose oder rote Dose?«
    »Haben Sie auch Wodka?«
    Sie sah ihn fragend an. »Wodkadose?«
    Der ältere Herr sagte etwas auf Thai. Zuerst meinte Julien, er müsse sich verhört haben, aber nein, der Mann sprach es absolut fließend.
    »Ah. Wokka Tony«, sagte sie. »Du willst Wokka Tony?«
    »Genau«, bestätigte Julien.
    Er wandte sich an den älteren Herrn und sagte: »Danke.«
    »Gern geschehen«, erwiderte der. »Ich bin übrigens Harold.«
    »Und ich …«, setzte Julien an. »Ich bin Dusty.«
    »Hab dich hier drin noch nie gesehen, oder, Dusty?«, sagte Harold.
    »Ist mir empfohlen worden«, erklärte Julien.
    Mit den Worten »Wokka Tony« stellte die Frau ihm den Drink auf den Tresen, eine höchst willkommene Ablenkung.
    »Wie viel?«, fragte Julien mit einem Griff nach der Geldbörse.
    Sie tat die Frage mit einer Handbewegung ab. »Zahlen später. Kein Ploblem.«
    Julien nahm einen kräftigen Schluck. Der Drink war unerwartet gut, und Julien wurde schlagartig lockerer. Am anderen Ende des Tresens stand ein Plasmafernseher, auf dem ein
Porno lief: Eine Blondine saugte an einem dicken schwarzen Schwanz. Interessiert betrachtete Julien ihre Technik. Er hatte zwar Sex mit Frauen gehabt - also hauptsächlich mit Dusty -, aber nie in der oralen Spielart, und er fragte sich gelegentlich, wer die hohe Kunst der Fellatio wohl besser beherrschte, Männer oder Frauen. Der schwarze Penis ejakulierte der armen Frau mitten ins Gesicht, und Julien drehte den Kopf weg. Das war nun wirklich ein bisschen viel, selbst für ihn.
    Außerdem hatte er mittlerweile Gesellschaft. Eine Frau mit mehr Schminke als Klamotten am Leib stand so dicht neben ihm, dass ihre paillettenbesetzte Scham gegen seinen Schenkel drückte.
    »Hallo, Mann«, sagte sie mit einem derart uraustralischen Akzent, dass Crocodile Dundee dagegen wie ein Europäer wirkte.
    »Hi«, sagte Julien.
    Jetzt hatte sie die Hand auf seinen Schenkel gelegt, beunruhigend nahe an seinem Schritt.
    »Wie heißt du denn, Mann?«, wollte sie wissen.
    Diesmal übertrieb sie es mit der Show, und das »Mann« klang wie »Me-inn« - nicht mal Crocodile Dundee sagte »Me-inn«.
    »Dusty.«
    »Dusty?«, wunderte sich die Kleine.
    »So ist es«, erwiderte Julien. »Und du?«
    »Noi.«
    »Noi«, plapperte Julien nach.
    »Du sprechen Nummer eins Thai«, lobte Noi.
    Ein berufliches Kompliment, dennoch fühlte Julien sich heftig geschmeichelt - mit seinen fünf Tonhöhen war Thai eine verteufelt schwer zu beherrschende Sprache.

    » Kop khun khrap «, sagte er, um sie noch ein wenig mehr zu beeindrucken.
    Und beeindruckt war sie ganz offensichtlich, denn mittlerweile scheuerte ihre Scham an seinem Schenkel. Julien zweifelte nicht, wäre er heterosexuell veranlagt, sein Blut würde jetzt mit Macht gen Süden drängen.
    »Du mögen Noi Pafüm?«, fragte Noi und presste Julien den Busen an die Schulter.
    Julien mochte das Parfüm. Es war L’air du temps , Dustys Lieblingsduft. Allerdings hatte sie zu viel davon aufgelegt. Und darunter mischten sich Aromen von weniger gewisser Herkunft.
    »Sehr fein«, sagte Julien.
    Noi presste sich enger an ihn und packte seinen Schwanz. Erst meinte er, sich das nur eingebildet zu haben, als er dann aber den Blick auf den Schoß richtete, sah er, dass die Hand mit den grellrosa Fingernägeln exakt dort war, wo er sie vermutete. Und nicht nur das, sie vollführte walkende Bewegungen, die dem nahe kamen, was ein Milchbauer Juliens Vorstellung nach tun musste, um einem Kuheuter seinen Saft zu entlocken. Julien nahm Nois Hand und legte sie beiseite.
    »Du nix mögen Noi?«, jammerte sie eingeschnappt. Dann wandte sie sich an Rubys Schwester und sagte ihr etwas auf Thai.
    Julien verstand nur ein einziges Wort: Katoey .
    »Du nix mögen Noi?«, erkundigte sich Rubys Schwester.
    Jetzt tat Noi ihm leid. Sie tat ihm leid, weil sie eine Prostituierte war. Sie tat ihm leid, weil das Ungleichgewicht der globalen Märkte sie dazu gebracht hatte, hierherzukommen und ihren Körper zu verkaufen. Genau wie seine Nikes oder
das T-Shirt, das er trug, war auch sie nur eine günstig aus einem Drittweltland eingeführte Ware. Er reagierte mit dem, was er sein französisches Achselzucken nannte.
    »Kein Ploblem«, sagte Rubys Schwester diplomatisch, »bei Ruby viel, viel hübsche Mädchen.«
    Mit einer Handbewegung schickte sie Noi weg und gab Ruby ein Zeichen.
    Julien trank aus.
    »Was ist eigentlich dein Metier, Dusty?«, erkundigte sich Harold mit

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