Vor dem Regen - Roman
durchgemacht. Trace lief die Treppe hinauf, zwei Stufen auf einmal nehmend. Dusty war nicht auf der Veranda, nicht in der Küche.
»Wo steckst du, Schwester?«
»Im Bad.«
In Unterwäsche saß Dusty auf der Toilettenschüssel. In einer Hand das Handy, in der anderen ein Plastikstäbchen.
»Nach dem hier bin ich schwanger.«
»Oh, Mist!«
»Ich muss noch einen machen.«
Auf dem Boden sah Trace drei weitere Stäbchen. Alle mit dem gleichen, positiven Ergebnis.
»Nein, musst du nicht«, entschied Trace und nahm Dusty bei der Hand.
Epilog
Nordost-Thailand.
Zu dritt sitzen sie vor dem Haus - einer Bambushütte auf Stelzen. Hinter ihnen eine offene Kloake. Zwischen den Füßen picken dürre Hühner.
Nim war ein Mädchen, als sie das Dorf verließ - nun ist sie eine Frau. Farang- Kleider. Farang -Parfüm.
Auf ihrem Schoß ein schlichter Pappkarton.
»Wie habt ihr es erfahren?«, will Nim wissen.
Sie sagt es ihr.
Vergangenen Monat hat ein fetter Mann von der Regierung den weiten Weg aus Bangkok hierher gemacht, um ihnen mitzuteilen, dass ihre Tochter tot sei.
»Wie ist sie gestorben?«, hatte sie gefragt.
»Drogen«, hatte er gesagt. »Ihre Tochter war eine Prostituierte und drogenabhängig.«
»Wann wird sie nach Hause kommen?«
»Die Überführung der Leiche wird zwanzigtausend Baht kosten«, hatte er gesagt.
Zwanzigtausend Baht! Das ganze Dorf zusammen hatte nicht so viel Geld.
»Noi war nicht drogenabhängig«, sagt Nim, die Augen voller Tränen.
»Und wie ist sie gestorben?«
»Ich weiß nicht genau. Es war kompliziert.«
»Ist Geld da?«, will Nois Vater wissen.
Es ist noch nicht Mittag, aber sein Atem riecht nach Mekong-Whisky. Nim zieht einen schlichten weißen Umschlag aus der Handtasche und übergibt ihn. Als damals das lächelnde Pärchen aus Chiang Mai mit dem polierten Auto gekommen war und nach hübschen Mädchen gefragt hatte, war er es gewesen, der ihnen Noi mitgegeben hatte. Wir können es uns nicht leisten, sie noch länger zur Schule zu schicken, hatte er gesagt. Sie fällt uns zur Last.
Er reißt den Umschlag auf. Darin liegen vier Scheine à fünfzig US-Dollar.
»Gut«, sagt er und steckt das Geld ein, zwei Monatslöhne hier im Dorf, die er für Alkohol, Glücksspiel und Prostituierte ausgeben wird.
»Und das sind die Habseligkeiten Ihrer Tochter«, sagt Nim und überreicht ihr den Pappkarton.
Sie reden noch eine Weile. Nim erzählt, wie sehr die Tochter Popmusik gemocht hat, dass sie Englisch gelernt und jeden Tag zu Buddha gebetet hat. Dann muss Nim sich verabschieden. Sie studiert jetzt in Bangkok an der Universität.
Nois Mutter bereitet das Abendmahl. Viel gibt es nicht - Reis, etwas Fisch, und die Kinder legen sich hungrig zu Bett. Im Lampenschein öffnet sie den Karton.
Er enthält das Buddha-Amulett, das sie ihrer Tochter an dem Abend gab, bevor sie mit dem lächelnden Pärchen aus Chiang Mai fortging. Sie hatte es von ihrer Mutter bekommen, als sie in das Dorf ihres Mannes zog. Er enthält eine Plastikbürste. Sie führt sie ans Gesicht, bemüht sich verzweifelt, noch einmal ihren Duft zu atmen. Noi ist ihre Erstgeborene. Nach ihr kamen noch vier weitere, drei Jungen und
ein Mädchen, doch Noi ist die Erstgeborene. Da sind F arang- Bücher. Sie schlägt eines auf. Das Bild eines Kängurus. Noi war immer eine gute Schülerin gewesen - wenn sie sie doch nur weiter zur Schule hätten schicken können. Da ist ein aufgerolltes Papierröhrchen, von einem Gummiband zusammengehalten. Sie streift es ab, nimmt das Deckpapier weg. Eine Rolle amerikanischer Fünfzigdollarnoten. Sie zählt. Es sind vierzig. Sie zählt noch einmal. Es sind immer noch vierzig. Zweitausend Dollar - mehr Geld, als sie in ihrem Leben je gesehen hat.
Mit diesem Geld wird sie ihn verlassen.
Ins Dorf ihrer Eltern zurückkehren.
Land kaufen und Reis anbauen.
Mit diesem Geld wird sie ihre Kinder weiter zur Schule schicken.
Und sie wird dem dicken Regierungsmann die zwanzigtausend Baht zahlen, die es kostet, Sumalee Noppachorn, ihre Erstgeborene, nach Hause zu holen.
Danksagung
Danken möchte ich Ducks - ohne dich wäre es im Grunde gar kein Buch geworden -, meinem Lektor Tom Gilliatt für sein Vertrauen, meiner Agentin Margaret Connolly für i hren Scharfsinn, Jamie Grant für seine Redaktion (nie kam die Kavallerie rechtzeitiger) und meinem gelehrten Freund Jeremy Kirk für den advokatischen Rat.
Die Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel »The Build Up« bei Pan Macmillan
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