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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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einem ganz leichten Akzent. Südafrikanisch, tippte Julien.
    »Bin im öffentlichen Dienst«, antwortete er. »Im Grunde tu ich nur Papiere umschichten.«
    Harold runzelte die Stirn und wollte eben etwas erwidern, als Mamasan Ruby eine kleine Thailänderin anschleppte, diesmal bekleidet.
    »Nettes Mädchen, dieses Mädchen. Jung. Heißen Nim«, erklärte Ruby und schubste sie auf Julien zu.
    Julien hatte eine Theorie: Schwule Männer waren oft besser darin, weibliche Schönheit zu beurteilen, als heterosexuelle Männer, deren Urteil von fleischlicheren Überlegungen kompromittiert war. Nim war jung, siebzehn oder achtzehn, schätzte Julien. Sie hatte hohe Wangenknochen, klare braune Augen, eine makellose Haut. Das lange Haar trug sie zurückgebunden. Sie war eine vollkommene Schönheit. Und was noch dazukam, sie saß manierlich auf ihrem Hocker und machte keinerlei Anstalten, ihre Scham an Juliens Schenkel zu reiben, die Brüste an seine Schulter zu pressen oder nach seinen äußeren Geschlechtsorganen zu greifen.
    Inzwischen war weitere Kundschaft eingetroffen - eine Polterabendgesellschaft, wild entschlossen, dem Bräutigam
einen denkwürdigen Junggesellenabschied zu bereiten. Julien war kein Betriebswirtschaftler, aber er hatte ein eigenes Geschäft und wusste genug über Angebot und Nachfrage, um zu erkennen, dass Letztere Ersteres in Kürze übersteigen würde.
    »Du gehen mit mir?«, fragte er Nim.
    Sie verstand nicht.
    »Du«, wiederholte er und zeigte erst auf Nim und dann auf sich selbst, »gehen mit mir?«
    »Seck?«, fragte Nim schüchtern, und Julien schmolz das Herz in der Brust. Was für ein liebes, liebes Mädchen!
    Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn durch einen Gang, von dem zu beiden Seiten nummerierte Türen abgingen. Kichernd öffnete Nim die Tür zu Nummer zwei und ließ Julien eintreten. Die Einrichtung war spartanisch, eher öffentliches Krankenhaus denn plüschiger Puff. Es gab einen Einbauschrank, dessen Tür ein Stück weit offen stand. Julien sah ein gelb-braun gestreiftes Football-Trikot darin hängen. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf das Doppelbett. Er bezweifelte zwar, dass die hellrosa Laken aus ägyptischer Baumwolle waren, aber zumindest machten sie einen einigermaßen sauberen Eindruck. Auf einem Nachttischchen aus Kiefernholz standen eine Schachtel Billig-Papiertücher, eine Glasschale mit einer breiten Auswahl an Kondomen und ein Behälter mit Gleitmittel.
    Nim fing an, sich auszuziehen.
    »Warte«, sagte Julien.
    Nim machte ein verdutztes Gesicht. »Du nix lieben Nim?«
    »Aber natürlich liebe ich dich. Ich liebe dich sehr.« Julien setzte sich auf die Bettkante. »Setz dich«, sagte er und klopfte neben sich aufs Bett.
    Nim erfüllte ihm den Wunsch.

    »Hat hier vorher ein anderes Mädchen gearbeitet?«, fragte er langsam und jede Silbe einzeln betonend.
    »Du wollen anderes Mädchen?«
    Julien beschlich allmählich der Verdacht, es könnte ein Fehler gewesen sein, der atemberaubenden Nim den Vorzug gegenüber der ordinären, aber des Englischen mächtigen Noi gegeben zu haben. Plötzlich kam ihm ein Gedanke: Wieso es nur mit Englisch versuchen? Diese Mädchen kamen herum.Vielleicht beherrschte sie eine andere Sprache.
    »Sprichst du Französisch?«, fragte er. » Parlez-vous Français ?«
    »Du wollen französisch, kein Ploblem«, erklärte Nim und streckte die Hand nach seinem Hosenschlitz aus.
    Sachte schob Julien die Hand zurück. »Hör mir zu, Nim. Thai-Mädchen. Arbeiten hier. Jetzt weg. Du verstehst? Thai-Mädchen. Arbeiten hier. Gehen fort.«
    Auf Nims Gesicht erschien ein Ausdruck des Verstehens. »Noi!«, rief sie aus.
    »Nein, nicht Noi.«
    Nim zeigte auf Juliens Armbanduhr. »Zeit gehen.«
    Natürlich - die Gesetze des Marktes: begrenzte Ressourcen, während draußen Junggesellen mit prall gefüllten Hosen Schlange standen.
    Nim lächelte. »Jiggy-jiggy?«
    »Französisch«, schlug Julien vor.
    »Oki«, sagte Nim, beugte sich vor und hielt ihm die Schale hin. »Du überziehen Kondom, oki?«
    »Fein«, sagte Julien und begutachtete die erstaunlich vielfältige Auswahl. Erdbeer mag jeder, entschied er.

55
    Julien hatte keine Ahnung, wieso Dusty dem Hanuman die Treue hielt - es gab in Darwin mittlerweile wesentlich bessere Cafés. Die Einrichtung war schmuddelig, der Wirt sah aus wie einer Ubud-Batikfärberei entsprungen, in dem Laden wimmelte es nur so von Muttis mit ihren Blagen, und der Kaffee war mittelmäßig.
    »Du kommst spät!«, maulte Julien, als

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