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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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erkundigte sich Franky.
    »Genau so ist es.«
    Dusty nahm nicht an, dass Franky sie wiedererkannt hatte,
aber als sie auf die Bagot Road einbogen, fragte er: »Wie geht’s Ihrem Lover, Detective?«
    »Er ist nicht wirklich mein Lover, Franky.«
    »Auf mich habt ihr aber ziemlich verknallt gewirkt.«
    Frankys Keckheit überraschte Dusty. Im Allgemeinen zeigten Exknackis im Umgang mit der Staatsgewalt deutlich mehr Respekt, auch wenn sie einem bisweilen trotzdem gehörig auf die Nerven gingen.
    »Ich hätte zu diesem Abend ebenfalls noch ein paar Fragen«, sagte Dusty. »Sie haben von einer jungen Frau erzählt, die vermisst wird.«
    »Hab ich nicht.«
    »Versuchen Sie nicht, mich zu verarschen, Franky.«
    »Nichts für ungut, aber Sie waren besoffen.«
    »Sie haben von einem vermissten Mädchen erzählt.«
    »Sturzbesoffen.«
    »Sie sagten, sie wäre mit einem Mann weggegangen.«
    »Das bilden Sie sich ein.«
    »Wie hieß er?«
    »Ich hab keine Ahnung, wovon Sie reden.«
    Jemand hatte Franky unter Druck gesetzt - das war völlig eindeutig. Man hatte ihm Bescheid gestoßen, den Mund zu halten, denn falls nicht …
    Sie bogen rechts auf die McMillan’s Road ab, und es blieben nur wenige Minuten bis zum Flughafen. Die Aktentasche lag genau da, wo Dusty es erhofft hatte: unter dem Fahrersitz. Sie hakte die Schuhspitze im Griff ein und zog sie zu sich her. Sie bogen noch einmal rechts ab, diesmal bei Gegenverkehr, und dann ging es die Henry Wrigley Road entlang, benannt nach dem Piloten, dem der erste Transkontinentalflug von Adelaide nach Darwin geglückt war.

    Zu dieser Tageszeit war am Flughafen nicht allzu viel los, und Franky fand auf Anhieb einen Halteplatz vor dem Terminal. Nebenan fanden Aushubarbeiten statt, und ein Laster voller Schutt donnerte vorbei.
    »Macht neunzehn zwanzig«, sagte Franky.
    Dusty zahlte und rutschte auf die Beifahrerseite. »Also dann, bis zum nächsten Mal«, sagte sie und machte die Tür auf.
    »He, halt. Das gehört mir!«
    Mit gespielter Verblüffung glotzte Dusty auf den schwarzen Aktenkoffer in ihrer Hand.
    »Wirklich.«
    Sie trat auf den Gehweg und schloss die Tür. Auch Franky war ausgestiegen.
    »Das ist meiner, den müssen Sie versehentlich genommen haben«, sagte er und hastete mit wehendem Pferdeschwanz auf sie zu.
    »Komisch, ich hab einen, der ganz genauso aussieht«, behauptete Dusty, die sich in Bewegung gesetzt hatte, um ihn auf Distanz zu halten. »Wissen Sie was, schauen wir doch einfach mal rein, dann haben wir Gewissheit.«
    Dusty schickte sich an, den Aktenkoffer zu öffnen, und hatte schon die Daumen auf die beiden Schnappriegel gelegt.
    »Halt!«
    Komisch, jetzt war Franky Ng irgendwie gar nicht mehr keck.
    »Mit wem ist sie verschwunden?«, wollte Dusty wissen, als beide stillstanden.
    »Trigger, okay. Sie ist mit einem Mann namens Trigger verschwunden.«

    »Haben Sie ihn gesehen?«
    »Ja, hab ich.«
    »Beschreiben Sie ihn.«
    »Was weiß ich. Groß. Gebrochene Nase. Helles Haar.«
    »Wo steckt er jetzt?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Wo wohnt er?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Na sehen Sie, so schwer war das doch gar nicht, Franky.«
    Dusty konnte sich gut vorstellen, was in dem Aktenkoffer war - Gras, Koks, Speed, Pillen - die ganze Angebotspalette eines Nebenerwerbsdealers eben. Ein kurzer Anruf beim Drogendezernat, und Franky wäre geliefert und könnte sich auf einen etwas längeren Aufenthalt in Berrimah einrichten. Und sie würde den Rest des Tages damit zubringen, Berichte zu tippen. Auch wenn Franky Ng das wahrscheinlich anders sah, heute war sein Glückstag.
    »Kann ich jetzt bitte meinen Koffer wiederhaben?«, fragte er.
    Erneut donnerte ein Schuttlaster vorbei. Mit kräftigem Schwung beförderte Dusty die Aktentasche mitten auf die Ladefläche.
    Liebreizend lächelte sie Franky an. »Wären Sie wohl so gütig, mich nach Parap zurückzubringen?«

57
    Sydney war schon immer eingebildet bis dorthinaus.
    Aber seit jenem Morgen im September 1993, als der Exfaschist und Olympiaboss Juan Antonio Samaranch hochtrabend
verkündete: »Der Gewinner ist … Sydanieh«, wurde es vollends unerträglich. Man brauchte sich nur mal den Hafen und die Strände wegzudenken, was bliebe dann noch von Sydney? Überteuerte Immobilien, arrogante Kellner und Cops, die so kriecherisch sind, dass sie sich den eigenen Hintern hochgucken können.
    Als Dusty das Ankunftsgebäude verließ, den Rucksack über der Schulter, bekam sie keinen Schlag ins Gesicht, kein Knie in die Magengrube.

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