Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
Gottes willen Felicity heißen? Wie konnte man als Cop einen Bindestrich haben? Außerdem kam sie aus Sydney, aus Bondi obendrein - ein Südmensch, wie er im Buche steht. Okay, Dusty kam aus Adelaide, und rein geografisch lag Adelaide südlicher als Sydney, aber die »Südung«, das war nicht nur der Breitengrad, das war eine Einstellung, eine Haltung, ein Seinszustand. Außerdem war Felicity Roberts-Thomson überqualifiziert - oder, wie Fontana es in der für ihn typischen Bildhaftigkeit ausdrückte: der quollen die Diplome zum Hintern raus.
    Flick war wohl irgendwie ein großes Tier in der freien Wirtschaft gewesen, aber nach einer persönlichen Katastrophe - ein Überfall auf ihren BMW, ein ganzes Rudel hatte sich über ihre Labradoodle-Dame hergemacht, irgendwas in der Art - hatte sie beschlossen, Sydney den Rücken zu kehren und sich ganz der Durchsetzung von Recht und Gesetz zu widmen. Natürlich war alle Welt ganz hin und weg von ihrem Mut. Die NT News hatte die obligatorische Lobhudelei verfasst. Was Dusty dabei nicht in den Kopf wollte, war, wieso jemand, der sein geldgeiles, selbstsüchtiges Leben aufgab, mehr wert sein sollte als jemand, für den so ein Leben von vornherein nicht in Frage kam.
    »Dann geh ich jetzt mal zum neuen Boss«, beschloss Dusty.
    »Mann, war die mies drauf«, sagte Fontana.
    »Ein Grund mehr, sie sich mal anzusehen, oder nicht?«

6
    Mit ihren zweiundvierzig Jahren war Christine Schneider die jüngste Person, egal ob Frau oder Mann, die es im Northern Territory je zum Commander gebracht hatte. Als Dusty ihr nun, durch eineinhalb Meter behördliches Kunstharz getrennt, gegenübersaß, dachte sie über die Zweiundvierzig nach und ob diese Zahl Beförderte wie Befördernde in gutem Licht erscheinen ließ. Ja, im elegant gestylten Haar des Commanders war kein Strähnchen grau, ihre Zähne waren erstaunlich weiß, und die Haut wies kaum ein Fältchen auf; trotzdem hätte es Dusty nicht gewundert, wenn sie den einen oder anderen Geburtstag unterschlagen, den persönlichen Kilometerzähler abgeklemmt hätte.
    Solange Geoff Commander war, hatte Dusty viel Zeit in diesem Büro verbracht. Natürlich hatten die Leute sich das Maul zerrissen und behauptet, die beiden würden es trotz der dreißig Jahre Altersunterschied wie wild miteinander treiben. In Wahrheit ging es weniger um Wollust denn um Geselligkeit - sie kamen einfach gut miteinander aus und hatten eine Menge gemeinsamer Interessen, nicht zuletzt die, böse Buben hinter Gitter zu bringen. Damals waren Football und Angeln, Bälle und Barramundis die beherrschenden Motive der Büroeinrichtung gewesen, aber jetzt war ein femininer Touch nicht zu übersehen.
    Auf dem Schreibtisch stand ein gerahmtes Foto des Commanders mit zwei zuversichtlich dreinblickenden Kindern, Junge und Mädchen. Daneben eine Blumenvase - Nelken in einem Ring von Schleierkraut - und daneben wiederum ein Wasserkrug auf einem Untersetzer. Dusty war verblüfft - sie
hätte den neuen Commander nie und nimmer für eine Untersetzerzicke gehalten, aber es bestand kein Zweifel - es war rund, es war gehäkelt und es hatte einen berüschten Rand -, es war ein Untersetzer. Hinter ihr ein Bücherregal mit einer geballten Ladung Managementtexte, in abnehmender Rückenhöhe geordnet.
    »Möchten Sie etwas trinken?«, erkundigte sich der Commander. »Tee? Kaffee?«
    »Wasser bitte«, antwortete Dusty.
    Der Commander schenkte ein Glas ein. »Kommen wir gleich zur Sache.«
    Hervorragende Idee, fand Dusty.
    »Wie Sie zweifellos wissen, wurde ein Leiche gefunden. Wir sind noch nicht hundertprozentig sicher, aber es ist mehr als wahrscheinlich, dass sie es ist.«
    Der Commander beugte sich vor und legte die Finger zeltförmig aneinander. Interessanterweise war das eine Geste, derer sich auch der frühere Commander häufig bedient hatte. Vielleicht ist das eine Voraussetzung für den Posten, überlegte Dusty. Fähigkeit des Bewerbers, Finger zeltförmig aneinanderzulegen, erwünscht.
    »Mir ist bewusst, wie viel Zeit und Mühe Sie in den Fall McVeigh investiert haben.«
    Nein, ist es nicht, dachte Dusty. Nicht den Hauch einer Ahnung hast du.
    »Auch wenn es einigermaßen unglücklich und unprofessionell war, dass Sie heute Morgen nicht erreichbar waren.«
    Dusty wollte etwas zu ihrer Verteidigung vorbringen, doch Christine Schneider löste das Fingerzelt und hielt ihr die Handflächen hin, als wollte sie sagen: »Nicht jetzt.« Und das war vielleicht gar nicht so schlecht. »Ein

Weitere Kostenlose Bücher