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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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stattdessen.
    Kirky nickte.
    »DJS?«, erkundigte sich Dusty.
    DJS - der Job stinkt, auch bekannt als Senior-Sergeant-Syndrom.
    »Nicht wirklich«, sagte Kirky.
    »Sind die Kriminellen am Ende nicht mehr das, was sie mal waren? Nur noch Junkies heutzutage. Keine Klasse?«
    Jetzt legte Dusty es darauf an - auch wenn sie selbst vor gar nicht langer Zeit von bezaubernden Welpen und plappernden Kakadus geträumt hatte, für einen Cop, der das Handtuch warf, hatte sie nicht viel übrig.
    »Das ist es auch nicht.«
    »Lass mich raten - Security. Sie haben dich abgeworben. Ab nach Afghanistan oder sonst ein Drecksloch.«
    »Schwachsinn.«
    Bis jetzt hatte Dusty einfach nur Smalltalk getrieben, nun jedoch war ihre Neugier ernstlich geweckt. Kirky war ein Dinosaurier, aber im Grunde kein schlechter Polizist, und er
hatte nur noch ungefähr fünf Jahre bis zur Pension - warum also riss er die nicht einfach herunter?
    »Was dann?«
    »Sagen wir’s mal so - ich bin ein bisschen heikel, wenn’s darum geht, von wem ich meine Scheißbefehle bekomme.«
    »Du kannst nicht so wahnsinnig gut mit dem neuen Commander?«
    Sie fühlte sich seltsam bestätigt - sie war also nicht die Einzige in der Truppe, die ihre Probleme mit Big C hatte.
    »Ich sag gar nix«, erwiderte Kirky.
    Und das war wahrscheinlich auch besser so, denn Dusty vermutete stark, dass Kirkys Vorbehalte gegen Commander Schneider eher in ihrem Geschlecht als einer vermeintlichen fachlichen Unzulänglichkeit begründet lagen.
    Kirky machte das Radio an und drückte den Sendersuchlauf, bis er eine Musik gefunden hatte, die ihm zusagte: Golden Oldies.
    Nach zwei Stunden Elvis, Roy Orbison und Dave Clark Five erreichten sie das Bergwerksstädtchen Pine Creek.
    »Was sagst du eigentlich zu dem Fall?«, fragte Dusty.
    »Schon wieder eine sinnlose Suche nach irgendwelchen Scheiß-Hirngespinsten.«
    »Hauptsache immer schön vorurteilsfrei bleiben, was, Kirky?«, spottete Dusty, obwohl sie selbst nicht viel anders dachte.
    Im Radio jaulte Elvis gerade »Hound Dog«. Irgendwie schien das passend.
    »Warst du schon mal in dem Lager?«, fragte Dusty.
    Ein knappes »Nein« war Kirkys einzige Antwort, bis er dann nach etwa einer halben Stunde völlig unvermittelt sagte: »Ich bin ja nur knapp an Vietnam vorbeigekommen.«

    »Ach?«
    »Um zwei Tage dran vorbeigeschrammt.«
    »Vorbeigeschrammt?«
    Nicht zum ersten Mal trauerte Dusty all den Stunden nach, die sie im Becken Bahn um Bahn geschwommen war, anstatt ihre Schularbeiten zu machen.
    Kirky erklärte ihr, wie die Lotterie funktionierte: Männer, deren zwanzigster Geburtstag innerhalb einer bestimmten Sechsmonatsspanne lag, hatten sich einschreiben müssen. Dann befüllte man eine Tonne - die Originaltonne aus der Tattersall-Lotterie - mit nummerierten Murmeln, die für je ein bestimmtes Datum standen. Wessen Nummer gezogen wurde, der musste einrücken.
    »Etliche von meinen Kumpels mussten rüber. Als sie wiederkamen, war jeder Zweite nicht mehr richtig im Kopf. Als Cop kriegst du jede Menge furchtbarer Sachen mit. Du weißt schon, was ich meine. Eine ganze Familie, die draufgeht, bloß weil ein besoffener Aborigine über die Straße torkelt. Aber wenigstens kriegen wir ein bisschen Respekt. Nicht so viel, wie wir verdammt noch mal verdient hätten, aber ein bisschen. Diese armen Schweine hingegen, die kamen zurück und wurden auf der Straße bespuckt. Wortwörtlich bespuckt sind sie worden.«
    Sie bogen ab und fuhren nun über eine zerfurchte Piste, die so eng war, dass die Eukalypten zu beiden Seiten den Wagen streiften. Dusty kurbelte das Fenster herunter und atmete tief durch. Sie liebte diesen Eukalyptusduft, er brachte so viele Erinnerungen mit - an den Vorstadtpark, in dem sie mit ihrem Bruder gespielt hatte, an die Ausflüge in die Adelaide Hills, selbst an die Campingtouren mit James.
    Die Stimmung im Wagen war jetzt gelöster, und Dusty
und Kirky unterhielten sich angeregt, bis sie eine Lichtung erreichten und Kirky sagte: »Das dürfte es dann wohl sein.«

17
    Dusty öffnete die Autotür und stieg aus. Nach fast vier Stunden im klimatisierten Wagen war die Schwüle ein Schlag ins Gesicht, ein Hieb in die Magengrube.
    Ein Mann kam auf sie zu. Es dauerte eine Weile, bis Dusty Barry O’Loughlin erkannte. Sein Foto mit dem riesigen Termitenhügel in der NT News war nicht gerade schmeichelhaft gewesen. Er war kräftiger, als Dusty erwartet hatte - vor allem der Oberkörper -, und sah wesentlich besser aus, mit grau

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