Vor dem Regen - Roman
melierten Haaren, die das gebräunte Gesicht vorteilhaft zur Geltung brachten. Außerdem strahlte er eine natürliche Autorität aus, die von seiner Quasiuniform - khakifarbene Shorts, langärmliges Khakihemd, Stiefel - zweifellos noch verstärkt wurde.
»Willkommen«, sagte er mit einem Lächeln und reichte Kirky die Hand. »Barry O’Loughlin.«
»Senior Sergeant Kirk, und das ist Detective Buchanon«, entgegnete Kirky.
»Detective«, sagte er und schüttelte Dusty mit kraftvollem Griff und festem Blick die Hand. »Ich werde Ihnen kurz das Lager zeigen.«
Dusty hatte in ihrem Leben schon etliche Buschcamps gesehen, die Lager von Hanfpflanzern, illegalen Barramundi-Fischern und in einem Fall von radikalen, separatistischen Lesben, aber keins davon war auch nur annähernd so gut ausgestattet und organisiert gewesen wie dieses.
»Wie wär’s mit einer Tasse Tee?«, fragte Barry am Ende des Rundgangs. »Ich setze den Kessel auf.«
»Das hört sich gut an«, sagte Kirky, als sie auf den weißen Plastikstühlen im Schatten einiger Schraubenbäume Platz nahmen.
Dusty merkte genau, wie wohl Kirky sich hier fühlte: Dies war eine Männerwelt. Der Tee allerdings, den sie dann - süß und schwarz - aus einer angeschlagenen Emailletasse trank, der schmeckte wirklich hervorragend.
Dann kamen zwei weitere Veteranen dazu, von denen einer sich beim Gehen auf einen Stock stützte, während der andere einen ausgesprochen rauen Eindruck machte, und die als Tank und Scotty vorgestellt wurden.
»Was muss man denn anstellen, um von einer wie dir verhaftet zu werden, Darling?«, schmachtete Tank Dusty an.
Sie fühlte sich an ihren Onkel Des erinnert, den dreimal verheirateten Bruder ihres Vaters: das zurückgekämmte weiße Haar, die protzige Uhr. Genau wie Des sah Tank sich wohl als Herzensbrecher, als Lothario des australischen Veteranenverbands RSL.
Scotty dagegen war eindeutig derjenige, der sich am weitesten vom bürgerlichen Lebensentwurf entfernt hatte. Er sah aus wie ein Motorradrocker - beide Arme waren mit Tätowierungen bedeckt, und zwar mit echten Tätowierungen, nicht mit Body Art - und strahlte eine Arroganz aus, die Dusty augenblicklich einem gewissen Schlag von Leuten zuordnete, die ausgiebig Bekanntschaft mit der Justiz gemacht hatten, dabei aber, zumindest in der eigenen Wahrnehmung, immer unbeschadet, wenn nicht gar als Sieger vom Platz gegangen waren.
Ein schräges Trio, doch wenn man berücksichtigte, dass
eine Lotterie sie zusammengeführt hatte, war das nicht weiter verwunderlich.
»Was haben die Tanks denn für ein Fassungsvermögen, zwanzigtausend Liter?«, erkundigte sich Kirky und schlürfte lautstark seinen Tee.
»Sechzehn«, antwortete Barry.
Und schon ging’s los, das Männergeschwafel: nur noch Tanks, Rohre und Druck. Für Dusty war das nichts Neues - als sie bei der Polizei angefangen hatte, lag der Frauenanteil bei acht Prozent. Und selbst heute, elf Jahre später, waren es erst siebzehn Prozent. Es gab Zeiten, da hätte sie sich ganz bewusst ins Gespräch eingeschaltet. Meinten die vielleicht, sie wäre nie bei Bunnings, Stratco oder Mitre 10 gewesen? Wer kümmerte sich denn um die Instandhaltung des Pools? Hatte sie vielleicht nicht eigenhändig das abgesoffene Nokia aus den Klauen des Kreepy Krauly geborgen? Heute jedoch war ihr das zu anstrengend, sollten die Jungs doch ihren Spaß haben.
Aber als Dusty ihren Tee ausgetrunken hatte, war auch ihre gute Laune, wie es mit guten Launen nun einmal so geht, weitergezogen. Mochte es die nervtötende Hitze gewesen sein, das unablässige Machogelaber oder das hartnäckige Gefühl, sie sollte jetzt lieber im Präsidium sitzen und die McVeigh-Sache weiterverfolgen - jedenfalls hatte sie diese Männertümelei gründlich satt.
»Um jetzt mal auf die Leiche zu sprechen zu kommen …«, sagte sie.
Kirky machte ein vergrätztes Gesicht. Die Unterhaltung war mittlerweile bei Dieselgeneratoren angelangt, und der Senior Sergeant meinte sich mit einigem Recht als Experte auf diesem Gebiet ansehen zu dürfen.
»Leiche?«, sagte Barry und tat ernstlich überrascht. »Ach ja, die Leiche. Also mal ganz unter uns, ich kann mir gut vorstellen, dass Jimmys Geschichte, er hätte da draußen was gesehen, sich ziemlich überzeugend anhörte, aber Sie müssen wissen, unser Jimmy ist ein sehr kranker Mann.«
Barry sah seine Mitveteranen an. Beide schüttelten den Kopf. Ein sehr, sehr kranker Mann.
»Er hat PTBS. Das steht für Post-«
Langsam ging Barry
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